Die Ausbreitung des Coronovirus hat die Welt in eine Krise gestoßen, die sich zuvor kaum jemand so hat ausmalen können. Das gewohnte gesellschaftliche Leben ist weitgehend zum Stillstand gekommen, die Auswirkungen auf den Alltag der meisten sind enorm. Das hat nicht nur die Bürgerinnen und Bürger überrascht, sondern vor allem die Politik. Dabei sind Seuchen in modernen Gesellschaften nichts wirklich Neues. Bis in die 1980er Jahre hinein heilte man Vireninfektionen wie die sogenannten Kinderkrankheiten zwei Wochen lang im Bett aus - gegen die meisten davon impft man längst, so dass auch diese "alltäglichen" Seuchen inzwischen aus dem Bewusstsein verschwunden sind. Und nicht zuletzt erwiesen sich die realen Auswirkungen von Seuchen der vergangenen zwanzig Jahre, wie zum Beispiel Rinderwahnsinn, Schweinepest, Vogelgrippe, Ebola oder SARS, im Vergleich zum jetzigen Coronavirus als insgesamt eher harmlos. So gesehen, haben wir es vielleicht sogar verlernt, mit Epidemien umzugehen? Sind auch deswegen wichtige medizinische Forschungen nicht fortgeführt worden? Und wie lässt sich die gegenwärtige Coronakrise in eine Seuchengeschichte der Moderne einordnen? Der Historiker Prof. Dr. Malte Thießen, Leiter des LWL-Instituts für westfälische Regionalgeschichte, hat zur Geschichte von Gesundheit, Gesundheitsvorsorge und des Impfens geforscht und mehrfach publiziert. Wir haben ihn um seine Einschätzung gebeten.
"Noch in den 1960ern gehörten Infektionskrankheiten zum Alltag der Bundesdeutschen"
L.I.S.A.: Herr Professor Thießen, Sie haben sich aus historischer Perspektive intensiv mit den Themen Seuchen und Impfen in der Moderne beschäftigt und dazu vielfach publiziert. Zuletzt in der Zeit, als sich das Ebola-Virus in der Zeit von 2014-2016 ausbreitete. Heute ist das Thema Virenseuche und Impfschutz im Zuge der Corona-Epidemie aktueller denn je. Sie kennen die Geschichte von Seuchen sehr genau. Hat Sie der jetzige Ausbruch einer neuen Virenseuche überrascht oder musste man damit rechnen? Zugespitzt: Ist nach der Seuche immer auch vor der Seuche?
Prof. Thießen: Seuchen sind immer, da stimme ich Ihnen umgehend zu. Wir müssen für diese Erkenntnis übrigens gar nicht erst bis zu den großen Pestzügen oder zur „Spanischen Grippe“ 1918/19 zurückblicken. Ebola und Sars, aber auch AIDS/HIV, vor allem aber Polio und Diphtherie kosteten noch vor wenigen Jahrzehnten mitten in Europa jedes Jahr mehrere zehntausende Menschenleben. Warum reagieren wir also in jüngster Zeit jedes Mal wieder überrascht – und damit oft zu spät auf den Ausbruch von Seuchen? Warum gelten Seuchen häufig als ein dunkles Kapitel längst vergangener Zeiten?
Die Antwort hängt ironischerweise mit dem medizinischen Fortschritt zusammen. Wir leben heute im Zeitalter der Immunität und haben die Vorstellung verinnerlicht, dass wir vor Infektionskrankheiten sicher sind. Noch in den 1960er Jahren waren Infektionskrankheiten auch im Alltag der Bundesdeutschen durchaus präsent. Die „Kinderkrankheiten“ waren lange Zeit eben keine Verniedlichung, sondern Ausdruck der Allgegenwart von Seuchen mit vielen Opfern gerade unter den Jüngsten. Seither sind wir dank systematischer Präventions- und Impfprogramme weitgehend gefeit vor Seuchen. Auf den Punkt gebracht: Wir sind ein Stück weit Opfer unserer medizinischen Erfolge, die uns in falscher Sicherheit wiegen.
Reaktionen auf den Beitrag
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Die Menschheit ist zu dumm und DAS ist das Problem. Immer. Bei allem. Würde man die geistige Elite Entscheidungen treffen lassen statt die größten Idioten, würden sehr viel weniger Schäden entstehen.
Größte Idoten, s. Politik und Medien
Geistige Elite, s. www.oqgc.com
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"...so gibt es keine Belege, dass das Virus tatsächlich gefährlicher ist als Influenza. In China und Italien und in Spanien und in vielen regionen der Welt mehr existieren aber weder Gesetze noch Wünsche, so etwas wie Luftreinhaltung zu praktizieren- der Mundschutz in China dient der verzweifelten prävention vor Lungenkrankheiten durch Umweltvergiftung und vergifteter Luft."
Darüber ist jetzt schon mehrfach aufgeklärt worden, dass Corona nichts mit dreckiger Luft zu tun hat. Da kann ist den NDR-Podcast nur empfehlen...
Vielen Dank jedenfalls für die historische Einordnung. Das macht aktuell einiges besser verständlich, auch die zunehmende Distanzierung von Impfungen.
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In NRW sind viele Menschen betroffen- ob es wohl einen Zusammenhang gibt mit der Kohleföderung und der Staublunge? Oder der höheren Krebshäufigkeit? Lungenkrebs ?
Ich denke, dass die gegenwärtigen Massnahmen zum einen Verzeifelung und Aktionismus entspringen und zum zweiten dem Wunsch nach Überwachung. Ein "Starker Staat" kann immerhin seine Büger überwachen und auswerten, womit der Wirtschaft doch wieder gedient wäre während eine Gesellschaft, in der Rufe nach Zwangsquarantäne für Ältere, für Menschen mit Behinderung, erzwungene Heimeinweisung, Wegsperren, Überwachen und Verwahren, immer stärker an Vehemenz gewinnen, nichts aus der jüngeren Geschichte gelernt hat. Wenigstens die Frage nach Verträgen von Biochemikern und Ärzten mit der Pharmaindustrie, die schon immer zu unethischen und illegalen Menschenversuchen führten, könnte hinterfragt werden. So stellt sich mir die Frage, ob das nicht auch gleichzeitig ein Massenexperiment darstellt. In jedem Fall ist es nicht akzeptabel, die Grundrechte auszusetzen und eben NICHTS zu tun, um das privatisierte und ökonomisierte Gesundheitswesen zu verbessern. Ulla Schmidt, die dieses unternehmen wollte, scheiterte nicht an einer Spanienreise sondern an ökonomischen Interessen der "Wohlfahrtsverbände".