Frauen verdienen nach wie vor und in den meisten Fällen für dieselbe Arbeitsleistung weniger als Männer. Dass das so ist, hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass diese Ungleichbehandlung gesellschaftlich nicht als solche wahrgenommen oder sogar als "normal" empfunden wird. So die Ausgangshypothese einer Studie zur Lohnungleichheit der Universität Konstanz. Tatsächlich stellte sich heraus, dass eine Lohnlücke von bis zu neun Prozent als fair betrachtet wird. Wie sich dieses Ergebnis erklären lässt, das haben wir den Sozialforscher Prof. Dr. Thomas Hinz gefragt, der die Studie durchgeführt hat.
"Befragte gaben ein Urteil zur Fairness der Lohnzahlung ab"
L.I.S.A.: Herr Professor Hinz, Sie haben gemeinsam mit Prof. Dr. Katrin Auspurg und Dr. Carsten Sauer eine Umfrage zu geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden durchgeführt und die Ergebnisse zuletzt in einer Studie veröffentlicht. Sie kommen dabei zu dem Schluss, dass eine Lohnlücke von sieben bis neun Prozent gesellschaftlich als fair angesehen wird. Bevor wir darauf konkret zu sprechen kommen, vorab die Frage, was Sie zu dieser Studie veranlasst hat? Welche Beobachtung bzw. Hypothese ging der Umfrage voraus?
Prof. Hinz: Unsere Studie steht in der Tradition einer ganzen Reihe von Untersuchungen zur empirischen Gerechtigkeitsforschung. Dabei geht es um die Frage, nach welchen Kriterien, etwa Leistung oder Bedarfsgerechtigkeit, Belohnungen oder Einkommen als fair angesehen werden. Unsere Fragestellung lautete, ob Menschen die Entlohnung von Arbeitsleistung bei Männern und Frauen unterschiedlich bewerten.
L.I.S.A.: Wie genau sahen Methodik, Operationalisierung und Sample der Umfrage aus? Worauf mussten die Teilnehmer Antworten geben?
Prof. Hinz: Die Untersuchung basiert auf einer repräsentativen Stichprobe der Wohnbevölkerung in Deutschland über 18 Jahre. Die etwa 1.600 Befragten haben insgesamt über 26.000 Beschreibungen fiktiver Beschäftigter bewertet, gleichsam in einer Art Experiment. Die Beschreibungen enthalten Angaben etwa zu Lohn, Beruf, Alter, Erfahrung, Arbeitsleistung, und eben auch Geschlecht. Die Befragten gaben pro Beschreibung ein Urteil zur Fairness der Lohnzahlung ab. Aus diesen Urteilen lässt sich dann ein als fair empfundener Unterschied nach Geschlecht berechnen, übrigens in der Größenordnung des realen Lohnunterschieds zu Lasten der Frauen.