L.I.S.A.: Wenn Sie auf das Kapitel Promotion zurückblicken, was waren die wichtigsten Zäsuren? Gilt folgendes Schema auch für Sie: Themenfindung, Recherche, Lesen, Schreiben, Verteidigung, fertig?
Schmidt: Diesen größeren Erzählbogen gibt es sicherlich – zumindest theoretisch. Bei mir bestand er in seinen Grundzügen aus: Themenfindung, Literaturrecherche, erste Konzeptualisierung, Archivarbeit, Re-Konzeptualisierung, mehr Archivarbeit, Schreiben, Überarbeitung, Abgabe, Verteidigung.
Doch der Alltag der Promotion ist meiner Meinung nach viel stärker geprägt durch die unendlichen, viel kleineren Zyklen aus: Thema XY erarbeiten, These formulieren, These wieder infrage stellen, mehr Lesen, Ausufern des Themas, Panik, Neugliederung, Schreiben, Unzufriedenheit, Überarbeiten, anhaltende Verwirrung und „ich lass‘ das jetzt so“. Durchaus auch alles innerhalb eines Tages.
Ruhardt: Eine so umfassende Arbeit wie eine Dissertation lässt sich sicherlich nur schwer in ein lineares Schema zwängen. Sie lässt sich nach meinen Erfahrungen eher als ein permanenter Anpassungs- und Auseinandersetzungsprozess mit dem entstehenden Text charakterisieren. Dieser Prozess ist geprägt durch das andauernde Suchen, Finden, Prüfen, Verändern und Verwerfen von Erkenntnissen und Ergebnissen.
Da ich mein Thema der Magisterarbeit zur Promotion ausweiten konnte und die verschiedenen Genehmigungen der Soprintendenz und des Museo Nazionale Archeologico di Taranto schon zuvor beantragt hatte, konnte ich beispielsweise direkt vor Ort in den Archiven mit der Materialaufnahme beginnen. Vor allem die fotografische Aufnahme der über 5.000 Fundobjekte der hellenistischen Kammergräber von Tarent nahm sehr viel Zeit in Anspruch. Gleichzeitig habe ich neben der Materialaufnahme schon mit der Literaturrecherche vor Ort begonnen, da viele Publikationen zu Großgriechenland und vor allem zu Tarent nicht in Deutschland zu finden sind oder nur umständlich über Fernleihen bestellt werden können.
Nach der abgeschlossenen Materialaufnahme, der Eingabe aller Daten in eine Datenbank und der Anfertigung eines Kataloges, der die Ausgangsbasis zum Text-Band der Dissertation bildet, konnte ich mich dem schriftlichen Teil der Arbeit widmen. Während des Schreibprozesses nahm ich jedoch immer wieder kleinere Änderungen an der Datenbank oder am Katalog vor, da viele Details häufig erst im fortgeschrittenen Stadium der Arbeit ersichtlich werden.