Darf man auf Segenswünsche per Zoom mit „Amen“ antworten oder sich am Sabbat gegen Covid-19 impfen lassen? Dies sind nur zwei Beispiele für Probleme, mit denen sich gläubige Juden heutzutage konfrontiert sehen können. Aber wie beantwortet eine so alte Weltreligion wie das Judentum derart aktuelle Probleme? Mit Antworten. Diese Antworten, in der lateinischen Fremdbezeichnung „Responsa“ genannt, sind der Untersuchungsgegenstand der Judaistin Dr. Nicola Kramp-Seidel, die aktuell am SFB 1385 "Recht und Literatur" zur jüdischen Responsa-Literatur forscht. Wir haben mit ihr über diese Praxis des Fragens und Antwortens gesprochen.
"Dialogischer Charakter von Responsa"
L.I.S.A.: Frau Dr. Kramp-Seidel, Sie forschen aktuell im Rahmen des SFB 1385 „Recht und Literatur“ zu jüdischer Responsa-Literatur. Könnten Sie uns, bevor wir zu weiteren Details kommen, vielleicht kurz den Gegenstand erklären: Was können wir uns unter einem Responsum vorstellen?
Dr. Kramp-Seidel: Unter einem Responsum kann man sich ein Rechtsgutachten vorstellen, das von einem jüdischen Rechtsgelehrten (oder einem Gremium) auf Anfrage verfasst wird. Der hebräische Begriff für Responsa She’elot u-Teshuvot bedeutet übersetzt Fragen und Antworten und vermittelt sehr gut den dialogischen Charakter von Responsa. Meist wird in den Fragen um Klärung von rechtlichen Ungewissheiten im jüdischen Recht und zu praktischen Alltagsfragen, die damit verknüpft sind, gebeten. Ganz gut lässt sich das anhand von derzeit aufkommenden Responsa zum Thema Corona veranschaulichen. So stehen unendlich viele Fragen aus den unterschiedlichen Denominationen des Judentums zu Alltagsfragen im Zusammenhang mit Corona: So werden Respondenten zur rechtlichen Einordnung zu Coronaschutzimpfungen gebeten. Beispielsweise sind im charedischen, also dem ultraorthodoxen Bereich auch die folgenden Fragen aufzufinden, ob man sich am Schabbat impfen lassen kann und ob man zur Impfung mit dem Auto gebracht werden darf. Während der Zeit des Social-Distancings wurden zudem Fragen zu Zusammenkünften via Zoom gestellt, beispielsweise ob Gläubige via Zoom auf zuvor gesprochene Segenssprüche mit „Amen“ antworten dürfen.