Das einst urbane Konzept einer "autofreundlichen Stadt", bei dem es in erster Linie darum geht, dem Autoverkehr prinzipielle Vorfahrt zu geben, ist heute Geschichte. Statt dem motorisierten Individualverkehr alles andere unterzuordnen - Hauptsache er fließt, erschließt sich die Zentren und hat viele Stellplätze -, wird er heute in den Priortäten der Stadtplanung heruntergestuft. Oberste hat dagegen die Rückeroberung des urbanen Raumes für den öffentlichen Nahverkehr, für umweltfreundliche Mobilität und autofreie Zonen. Die Wurzeln dieses Umdenkens lassen sich in Deutschland bis in die 1970er Jahre zurückverfolgen. Getan hat dies unter anderen der Historiker Dr. Bastian Vergnon. In einem Arbeitskreis hat er am Beispiel der Stadt Regensburg kontrafaktisch durchspielen lassen, was denn gewesen wäre, wenn in der Stadt an der Donau die Konzepte für eine autofreundliche Stadt konsequent umgesetzt worden wären. Wir haben ihm dazu unsere Fragen gestellt.
"Die Frage, wie sich die Altstadt bei den Plänen der autofreundlichen Altstadt entwickelt hätte"
L.I.S.A.: Herr Dr. Vergnon, Sie sind Historiker und beschäftigen sich unter anderem mit kontrafaktischer Geschichte bzw. mit alternativ denkbar verlaufender Geschichte. In diesem Zusammenhang haben Sie zuletzt einen Workshop in Regensburg durchgeführt, der unter der Leitfrage stand: Was wäre gewesen, wenn Ende der 1970er Jahre in Regensburg Pläne für eine autofreundliche Altstadt verwirklicht worden wären. Wie kam es zu diesem Arbeitskreis unter dieser Fragestellung?
Dr. Vergnon: Die Frage, Was wäre gewesen, wenn die Pläne der "autofreundlichen Stadt" in Regensburg durchgeführt worden wären?, hatte ich bereits 2020 in einem Artikel zu möglichen Alternative History Ankerpunkten der Oberpfalz und Regensburgs aufgeworfen.
2022 bin ich in Kontakt mit dem Welterbezentrum von Regensburg gekommen, die sich für diese Ankerpunkte interessiert haben. Da die Altstadt mit Stadtamhof das größte Welterbe von Regensburg ist, war die Frage, wie sich dieses Areal bei den Plänen der autofreundlichen Altstadt entwickelt hätte, natürlich von besonderem Interesse.
So sind wir auf die Idee gekommen, dieser „Was wäre wenn-Frage“ beim Welterbetag 2023 mit einem Workshop nachzugehen. Durch die „Was wäre wenn Frage“ wollten wir auch der Meta-Überlegung, welche Rolle eine Altstadt und ein Stadtzentrum für die Stadt selbst spielen, nachgehen.