In seinem Apostolischen Schreiben Evangelii Gaudium vom November 2013 hat sich Papst Franziskus explizit zur Wirtschaft geäußert. So heißt es beispielsweise im zweiten Kapitel des Schreibens: "[Wir] müssen heute ein 'Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen' sagen. Diese Wirtschaft tötet." Damit steht der amtierende Papst in einer längeren Tradition der katholischen Kirche, die sich seit dem Aufkommen des Kapitalismus im 19. Jahrhundert mit den Auswüchsen dieser Wirtschaftsordnung auseinandersetzt. Ausdruck dieser Kritik sind die Sozialenzykliken, in der die Päpste Stellung zur sogenannten Sozialen Frage nehmen und eine Abmilderung von Ungleichheit und sozialer Missstände einfordern. Die Ökonomen Prof. Dr. Hans Frambach und Dr. Daniel Eissrich bezeichnen in ihrer aktuellen Publikation diese Position als den dritten Weg der Päpste. Wir haben Prof. Frambach dazu unsere Fragen gestellt.
"Der dritte Weg der Päpste baut letztlich auf eine Marktwirtschaft"
L.I.S.A.: Herr Professor Frambach, gemeinsam mit Dr. Daniel Eissrich haben Sie eine Studie über die Wirtschaftsideen des Vatikans vorgelegt, unter dem Titel „Der dritte Weg der Päpste“. Da klingt natürlich gleich der bekannte dritte Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus an. Um was geht es Ihnen genau? Was macht den dritten Weg der Päpste aus?
Prof. Frambach: In der Tat, beim „dritten Weg der Päpste“ ist ein Mittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus gemeint, den die Päpste seit ihrer ersten Sozialenzyklika im Jahre 1891 aufzeigen und im Sinne einer besseren, das heißt gerechteren und menschlicheren Welt zu beschreiten vorschlagen. Daniel Eissrich und ich haben in unserem Buch nachzuzeichnen versucht, inwieweit die Päpste angesichts der sich verändernden Welt mit ihren sich wandelnden Gesellschaften und Problemen, sich diesen angenommen und darauf reagiert haben. Dabei haben wir sowohl die realen Ereignisse als auch das, was die Ökonomen jeweils zu den Veränderungen zu sagen hatten, aufgenommen und die Auswirkungen auf die Sozialenzykliken erfasst. Wir haben unter anderem festgestellt, dass mit den Sozialenzykliken regelmäßig – wenngleich auch manchmal zeitverzögert – zu den großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Problemen Stellung bezogen wurde, sich die Art und Weise der Stellungnahme jedoch stark verändert hat, die Werte jedoch, auf die sich die Aussagen in nunmehr 125 Jahren Sozialenzykliken beziehen, die gleichen geblieben sind.
Bei der genauen Verortung des dritten Wegs der Päpste zwischen Kapitalismus und Sozialismus geht es nun darum, diese beiden letzteren Wege in ihrer jeweiligen Reinform zu vermeiden, ihre guten Seiten jedoch zu bewahren und zu einem begehbaren Mittelweg aufzubereiten. Am Kapitalismus wird die Leistungsfähigkeit einer auf dem Wettbewerbs- und Preismechanismus fußenden ökonomischen Ordnung befürwortet, die in der Lage ist, die Menschen in ausreichendem Maß mit Gütern und Dienstleistungen zu versorgen, auch wird die Wahrung der menschlichen Freiheit und der persönlichen Initiative gewürdigt. Strikt abgelehnt werden die negativen Seiten des Kapitalismus, die dann auftauchen, wenn Menschen ungehemmt, rücksichtslos und ohne Einhaltung von Regeln lediglich ihre Interessen verfolgen und wirtschaftliche Macht entsteht, die sie in die Lage versetzt, andere vom Markt auszuschließen und in einer unwürdigen Weise auszunutzen. Am Sozialismus wird dessen Ziel der Herstellung einer möglichst umfassenden Gerechtigkeit für alle Menschen befürwortet, jedoch die Realitätsferne von grundlegenden Bedingungen bemängelt, wie die Einschränkung von Privateigentum, die teilweisen Sozialisierungsforderungen von Produktivvermögen oder etwa die Unmöglichkeit einer zentralen Planung und Steuerung der gesamten Ökonomie durch staatliche Instanzen. Der dritte Weg der Päpste baut letztlich auf eine Marktwirtschaft, in der es jedoch klare, für die Individuen verbindliche Werte geben muss, die menschliche Gier verurteilt wird und der Einzelne mit Blick auf die Umwelt und seine Mitmenschen rücksichtsvoll und durch praktisch ausgeübte Nächstenliebe handeln soll.