Der Klimawandel und der menschliche Umgang mit der Natur sind wohl zwei der brisantesten Themen unserer Zeit. Doch wer zurückblickt, merkt schnell, dass das Verhältnis von Mensch und Natur ein zentrales Problem der Moderne ist. Bereits im 18. Jahrhundert diskutierte die Aufklärung über dieses Problem und die Frage, wie Mensch und Klima sich gegenseitig beeinflussen: Hat das Klima den Körperbau und die Hautfarbe beeinflusst? Hat es sogar den menschlichen Charakter bestimmt? Sind verschiedene Staatsformen aufgrund unterschiedlicher klimatischer Verhältnisse entstanden? Mit dem Historiker Dr. Bernd Kleinhans haben wir über die Klimadebatten der Aufklärung gesprochen und gefragt, was sich daraus für die Herausforderungen der Gegenwart lernen lässt.
"Keine objektiven Gegebenheiten, sondern Produkt der Interpretation und Konstruktion"
L.I.S.A.: Die Umweltgeschichte ist – aus offensichtlichen Gründen – ein immer beliebter werdendes Thema in den Geschichtswissenschaften. Sie selbst nehmen in Ihrem Buch eine Metaperspektive ein und blicken auf die Debatten über das Klima, nicht die Auswirkungen des Klimas auf die Geschichte selbst. Was interessiert Sie – vor Ihrem fachlichen Hintergrund – an dem Thema und welche Vorüberlegungen gingen Ihrem Buch voraus?
Dr. Kleinhans: Aktuell vollzieht sich in den historischen Wissenschaften ein tiefgreifender Paradigmenwechsel. War vormals die Umweltgeschichte eher ein Randbereich der Forschung, wird nun zunehmend erkannt, dass die natürliche Umwelt und insbesondere das Klima alle Bereiche der menschlichen Geschichte mindestens mitbestimmt. Seriös kann Geschichtswissenschaft heute nicht mehr betrieben werden ohne Blick auf die Umwelt, in der sich Geschichte vollzieht. Ähnliche Paradigmenwechsel gibt es übrigens auch in anderen Wissenschaften, etwa in der Soziologie oder in der Psychologie.
Mein Buch steht natürlich im Kontext dieses Paradigmenwechsels. Ich habe Philosophie und Geschichte studiert, war viele Jahre im Naturschutz engagiert und befasse mich weiterhin intensiv mit ökologischen Fragen. Mich interessiert aber nicht nur die gewissermaßen materielle Ebene der Einwirkung der Natur auf die Geschichte, sondern vor allem, wie die Menschen in den einzelnen Epochen die Natur und das Klima wahrgenommen haben. Diese sind ja keine objektiven Gegebenheiten, sondern immer auch das Produkt der Interpretation und Konstruktion durch die Gesellschaft. Die Aufklärung ist dafür eine wichtige Epoche, weil in dieser Zeit unsere moderne Welt, und damit auch unsere Natur- und Umweltvorstellungen geprägt wurden. Die bisherige philosophische und historische Forschung hat diese Aspekte oft vernachlässigt. Mein Buch will daher auch ein Anstoß für weitere Forschungen in diese Richtung sein.