L.I.S.A.: Bei der Ernährung antiker Athleten denken viele vermutlich an „Asterix bei den Olympischen Spielen“. In dem 1972 auf Deutsch erschienenen Comicband geraten die streng Diät haltenden griechischen Athleten über die Essgewohnheiten der gallischen (und römischen) „Barbaren“ in Wut und fordern auch für sich das Recht ein, etwas anderes zu essen als „Olivenkerne und fettes Fleisch“ – So etwa „Brot“, „Fleischspießchen“, „Wein“ und „einen Ochsen aus Burdigala (Bordeaux)“. Können Sie denn schon erste Aussagen treffen, welche Nahrungsmittel tatsächlich als leistungsfördernd galten oder welche Trainingsmethoden empfohlen wurden?
Diese Wunschliste mit Brot, Fleischspießchen, Wein und einem Ochsen passt schon einmal ganz gut. Ich hatte das Brotrezept des Galen für Sportler angesprochen. Brot taucht grundsätzlich bei den meisten Ernährungsempfehlungen auf, oft in gleicher Menge wie Fleisch. Milon von Kroton, der antike Modell-Athlet aus dem süditalienischen Crotone, soll beispielsweise ebenso viel Brot wie Fleisch gegessen und auch einen ganzen Ochsen verspeist haben. Beim Wein gab es tatsächlich Einschränkungen, das ist durch mehrere schriftliche Quellen belegt und auch eine Inschrift am Eingang des delphischen Stadions verbietet Wein im Stadion. Bratspieße wurden im archäologisch seit dem 19. Jh. intensiv erschlossenen Olympia tatsächlich gefunden, ob als schnelle Zubereitungsmöglichkeit von Fleisch für die Zuschauer oder die Sportler ist unklar. Als Nahrungsmittel, welche einen disziplinspezifischen Trainingserfolg unterstützen, werden verschiedene Fleischsorten genannt, am häufigsten Rind- und Schweinefleisch, aber auch das Fleisch von Ziegen erfreute sich bei den Athleten einiger Beliebtheit.
Analysierte Knochenfunde von Gladiatoren aus Ephesos ergaben hohe Strontium-Werte, welche 2014 als Hinweise auf eine vegetarische Ernährung interpretiert wurden. Dies wäre ein wichtiger Unterschied der Ernährungsgewohnheiten von freien Athleten und Gladiatoren, welche Sklaven waren. Bemerkenswert ist, dass kein Fisch als Bestandteil der Athletenernährung explizit erwähnt wird.
Milch und Käse spielten nach Aussage der schriftlichen Überlieferung aber durchaus eine Rolle und tauchen auch bei der Sporternährungsreform des Pythagoras auf. Milch gilt bei Griechen und Römern als barbarisches Nahrungsmittel und wird auch mit der Lebensweise unkultivierter Sagengestalten aus mythologischer Zeit assoziiert. So sagte man den Zyklopen und Zentauren eine Vorliebe für Milch nach, die Römer lokalisieren Milchkonsum bei den Germanen. Interessant ist hier aber, dass aus dem Milchtrinken körperliche Stärke entsteht. Milch verdarb schnell, aber auch Käse konnte lebensmittelhygienisch bedenklich sein: Die Käsefliege, piophila casei, legt ihre Eier im Käse ab und die Maden gelangen lebend in den Darm, wo sie die Darmwand verletzen können. Reisende berichten im 19. Jh. von ihren Besuchen mediterraner Märkte, auf denen die angebotenen Käselaiber beim Aufbrechen von Maden nur so wimmelten. Der sardische Casu marzu ist erst seit einigen Jahren verboten, er erhält seinen cremigen und würzigen Geschmack durch den gezielten Einsatz der Maden von piophila casei.
Vergleichsweise sicher war ein Lebensmittel, welches mehrfach als Athletennahrung genannt ist: Die Feige in getrockneter Form. Der hohe Zuckergehalt erlaubt nach dem Training eine schnelle Auffüllung der Glykogenspeicher und die Trocknung ermöglicht lange Haltbarkeit. Getrocknete Feigen sind reich an Mineralstoffen und als Proviant ideal. Allerdings beschreibt Galen noch eine andere beliebte Einsatzmöglichkeit von Feigen und verweist damit auch auf ein gesundheitliches Problem, welches ein übermäßiger Verzehr mit sich bringen kann. Feigen wurden zur Schweinemast eingesetzt, um die Leber der Tiere für die Verwendung in der Küche groß, süß und schmackhaft zu machen. Hintergrund ist der hohe Fructosegehalt getrockneter Feigen, welcher auch beim Menschen Leberschäden verursachen kann. Eine getrocknete Feige enthält ca. 7g Fructose, der Mensch kann nur bis zu 30g Fructose in der Stunde umsetzen, bei mehr als 4 Feigen pro Stunde beginnt die Leber Fett zu produzieren. Die Folge ist eine Fettleber, wie dies auch in zunehmendem Maße bei den Ernährungsgewohnheiten in den westlichen Industriegesellschaften der Gegenwart diagnostiziert wird. Geht man heute in ein griechisches Restaurant und bestellt Sikoti, dann bekommt man Leber serviert – Sikoti leitet sich vom griechischen sikon, für Feige, ab und hat sprachlich die bei Galen beschriebene Form der Schweinemast bis in unsere Zeit erhalten.
Trainingsmethoden sind bei mehreren Autoren beschrieben, bei Galen finden sich Anleitungen zu spezifischen Hantelübungen, deren beschriebene Bewegungsabläufe an indisches Kalaripayattu-Yoga erinnern. Diese Form des Yoga könnte in griechisch-römischer Zeit durchaus interkulturell kommuniziert worden sein. Hanteln wurden in Griechenland nicht nur zur Kräftigung, sondern auch beim Weitsprung technisch so eingebunden, dass eine Verlängerung des Sprungs möglich war, dies zeigten experimentalarchäologische Versuche. Die antiken Hanteln oder Halteren sind in einigen Fällen sogar erhalten und weisen ein Gewicht von 1,1 bis 4,5kg auf. Zur Bewältigung eines ständig wachsenden Gewichts, um das Muskelwachstum durch die Reizänderung effizient zu stimulieren, waren die Halteren so wohl aber eher nicht gedacht.