Zwei gegensätzliche und nicht miteinander vereinbare Intellektuelle der neueren deutschen Geschichte würde man im ersten Moment meinen: auf der einen Seite der Staatsrechtler Carl Schmitt, der mit seinen Schriften zu einem der geistigen Wegbereiter des Nationalsozialismus gezählt wird und nach 1945 aus dem akademischen Leben ausgeschlossen war, und auf der anderen Seite der Historiker Reinhart Koselleck, dessen Karriere erst nach dem Krieg begann und der zu den anerkanntesten Gelehrten der Bundesrepublik aufsteigen sollte. Ausgerechnet zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Biographien entspinnt sich ein Austausch, der drei Jahrzehnte währen sollte. Diesen besondere Gelehrtenbriefwechsel hat der Historiker Dr. Jan Eike Dunkhase erforscht und jüngst als Edition publiziert. Wir haben ihm dazu unsere Fragen gestellt.
"Der Leser des Briefwechsels sieht sich vor ein Spannungsfeld gestellt"
L.I.S.A.: Herr Dr. Dunkhase, Sie haben im Rahmen eines Editionsprojekts den Briefwechsel zwischen dem Historiker Reinhart Koselleck und dem Staatsrechtler Carl Schmitt herausgegeben. Bevor wir auf Einzelheiten zu sprechen kommen, was hat Sie zu diesem Projekt geführt? Was interessiert Sie an diesem besonderen Briefwechsel? Was fasziniert Sie möglicherweise an Ihrem Material?
Dr. Dunkhase: Zu dem Editionsprojekt hat mich mein langjähriges Interesse an Reinhart Koselleck geführt. Das geht schon zurück auf mein Studium in Heidelberg und meine Beschäftigung mit Werner Conze, der Kosellecks Habilitationsschrift über Preußen zwischen Reform und Revolution betreut und mit ihm das Lexikon Geschichtliche Grundbegriffe auf den Weg gebracht hat. Im Rahmen meiner Tätigkeit am Deutschen Literaturarchiv Marbach habe ich dann intensiv mit Kosellecks Nachlass gearbeitet, woraus eine Studie zu seiner Position im Historikerstreit und seinem in diesem Zusammenhang entwickelten Konzept der „absurden Geschichte“ entstanden ist. Dabei bin ich auch auf die Briefe von Carl Schmitt gestoßen. Ich fand es bedauerlich, dass die Korrespondenz zwischen zwei so wichtigen Intellektuellen noch nicht veröffentlicht war, obwohl sie zum Teil schon von einigen Kollegen herangezogen wurde.
Auf der einen Seite haben wir mit Carl Schmitt einen antiliberalen Rechtsdenker, der sich durch seine Kollaboration mit dem Nationalsozialismus und seinen Antisemitismus schwer diskreditiert hat und von manchen noch heute als „gefährlich“ empfunden wird, auf der anderen Seite mit Reinhart Koselleck einen politisch unbelasteten fortschrittsskeptischen Geschichtsdenker, der sich weltweit wachsenden Ansehens erfreut und von vielen Historikern als Stichwortgeber bemüht, wenn nicht als Inspirator, ja als Vorbild betrachtet wird. Vor dieses Spannungsfeld sieht sich der Leser des Briefwechsels gestellt. Mich fasziniert, wie ausführlich und offen Koselleck Schmitt aus seinem Leben und vor allem vom Stand seiner geistigen Arbeit berichtet.