Der Zweite Weltkrieg unterschied sich von allen Vorgängern durch die brutale Gewalt seiner Kriegsführung. Diese wiederum hatte ihre Ursache in der Erklärung des Krieges zum „Rassenkrieg“ durch die Nazis. Die Sozialhistorikerin Prof. Dr. Birthe Kundrus von der Universität Hamburg hat jüngst ein neues Buch zum Thema vorgelegt, in das sie verstärkt die Perspektiven und Wahrnehmungen der Zeitgenossen hat einfließen lassen. Als Quellengrundlage dienten ihr dazu vor allem Selbstzeugnisse wie Briefe und Tagebücher. Weshalb akzeptierten weite Teile der Gesellschaft die NS-Propaganda? Wie gingen die Soldaten mit den im Krieg begangenen Verbrechen um und wie nahmen die Zivilisten den Krieg wahr? Fragen wie diese führen zum Konzept einer Erfahrungsgeschichte des Krieges, über das wir mit Frau Kundrus gesprochen haben.
„Eine andere Perspektive auf den Krieg einnehmen“
L.I.S.A.: Frau Professorin Kundrus, aus welchen Überlegungen heraus haben Sie sich des Themas Krieg und Holocaust angenommen?
Prof. Kundrus: Eine gute Frage. Schließlich gibt es unzählige Bände zum Zweiten Weltkrieg. Also musste etwas Neues her. Eine andere Perspektive auf den Krieg einzunehmen, das war der Plan. Und: Das Buch sollte für ein breites Publikum attraktiv sein. Im Mittelpunkt sollten die Erfahrungen und Deutungen unterschiedlichster Zeitgenossen und Zeitgenossinnen stehen. O-Töne aus Tagebüchern und Briefen lieferten hierfür das Fundament. Ein nationaler Tunnelblick kam dabei nicht in Frage, schließlich hatten Diplomaten und die Menschen in den von den Deutschen so rasant besetzten Staaten viel berichtet über ihre neuen Herrscher und ihren „merkwürdigen Führer“. Schließlich war die Idee, mit einer Karikatur oder einem Foto als Aufhänger für die einzelnen Kapitel neugierig zu machen auf die Inhalte. Ziel war, Anschaulichkeit mit Argumentation zu verbinden, die Analyse erzählerisch zu entwickeln, um auf diese Weise einen Beitrag zu einer modernen Gesellschaftsgeschichte des Nationalsozialismus und seines Krieges zu leisten.