L.I.S.A.: Im anglo-amerikanischen Raum gilt Public History längst als etablierter Forschungsschwerpunkt. Welche Strömungen liegen der Entstehung zu Grunde?
Dr. Zündorf / Prof. Lücke: In den USA baute die Public History-Bewegung, und genauso hat sie sich zunächst bezeichnet, auf den Zielen der New Social History der 1960er Jahre auf. Geschichte „von unten“ sollte stärker in den Blick genommen werden, um weitere Bevölkerungskreise sowohl als Thema als auch als Zielgruppe in die Geschichtsbetrachtung einzubeziehen. Damit trat die Regionalgeschichte aber auch die Kultur- und Alltagsgeschichte stärker in den Blick. Vergleichbares entwickelte sich in Großbritannien mit der „History Workshop“-Bewegung um Raphael Samuel am Ruskin College in Oxford. Auch diese Bewegung setze sich verstärkt mit Fragen der Geschichte in der Öffentlichkeit auseinander. In Deutschland untersuchten die Geschichtswerkstätten, die in den 1980er Jahren außerhalb der Universitäten entstanden, unter dem Motto „Grabe, wo Du stehst“ die Regional- aber auch die Alltagsgeschichte.
Jede dieser Bewegungen kritisierte die universitäre Geschichtswissenschaft sowohl für ihre thematische Fokussierung auf die Politik- und Ideengeschichte als auch für ihre Ausgrenzung der sogenannten LaienhistorikerInnen aus der Forschung. Geschichte sollte nicht nur für die breite Öffentlichkeit konzipiert werden, sondern auch mit ihr zusammen.
Eine weitere Strömung, die großen Einfluss auf die Enstehung der Public History hat, lässt sich zudem in dem sogenannten Geschichtsboom sehen, in dessen Folge außerhalb der Universitäten professionelle Institutionen entstanden, die sich mit der Darstellung von Geschichte beschäftigten. Dazu zählte das öffentlich-rechtliche Fernsehen, Verlage, Gedenkstätten, Museen und zahlreiche Stiftungen aber auch Bundes- und Länderverwaltungen. Damit erweiterte sich das potentielle Arbeitsfeld von Studierenden der Geschichtswissenschaften, auf das sie bis dahin jedoch nicht vorbereitet waren. In Deutschland dauerte es noch bis in die 2000er Jahre, bis die Universitäten auf diese veränderte Situation reagierten.