L.I.S.A.: Wie untersucht man solche Geschichtsdarstellungen in sozialen Medien? Sie sind ja als Historikerinnen und nicht als Medien- oder Kommunikationswissenschaftlerinnen ausgebildet – was ist Ihre Herangehensweise, um Geschichte in den sozialen Medien zu untersuchen?
SocMedHistory: Die geschichtswissenschaftliche Erforschung sozialer Medien steckt tatsächlich noch in den Kinderschuhen und profitiert von interdisziplinärem Austausch. Die Medien- und Kommunikationswissenschaften sowie die Marketingforschung verfügen über erprobte Ansätze, um sich mit Inhalten, Nutzenden- und Zielgruppen, Formaten usw. auf einer qualitativen wie quantitativen Ebene zu beschäftigen. Aus den Digital Humanities gibt es zudem Tools und Herangehensweisen, um vor allem größere Datensätze bearbeiten zu können. Hinzu kommen datenhermeneutische Ansätze, die interpretative und automatisierte Zugänge miteinander verbinden.
Im Projekt beschäftigen sich unsere beiden wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen intensiv mit verschiedenen Methoden aus den Digital Humanities, der Soziologie, der Anthropologie oder den Medien- und Kommunikationswissenschaften und deren Übertragbarkeit zur Erforschung geschichtsbezogener Inhalte in audiovisuellen sozialen Medien. Die aktuellen technischen und methodischen Möglichkeiten sowie die rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen überhaupt erst einmal strukturiert zu erfassen und aufzuzeigen, ist dabei ein Teil unserer Forschung.
In Bezug auf die Erforschung konkreter historischer Darstellungen setzen wir gemeinsam mit unserem begleitenden Beirat aus Bürgerinnen und Bürgern, dem sog. DabeiRat, primär auf qualitative, explorative Ansätze. Konkret bedeutet das, dass wir uns in kleinen, zeitlich begrenzten Forschungsprojekten verschiedenen historischen Themen und Aspekten der sozialen Medien widmen. Beispielsweise schauen wir uns nicht nur die Inhalte selbst an, sondern auch, wie die Algorithmen von TikTok und Instagram beeinflussen, welche geschichtsbezogenen Inhalte man angezeigt bekommt, wie Inhalte zu bestimmten historischen Themen kommentiert oder verschlagwortet werden oder was für Accounts sich diesen Themen widmen. Wir versuchen dabei, eine große Bandbreite an Epochen und an Facetten der beiden Plattformen abzudecken. Der Vorteil daran, dabei mit einem Bürgerbeirat zusammenzuarbeiten, ist zum einen, dass mehr Menschen sich an der jeweiligen Aufgabe beteiligen, als es im Rahmen eines normalen Forschungsprojekt möglich wäre. Zum anderen wird dadurch möglich, die unterschiedlichen Herangehens- und Nutzungsweisen der sozialen Medien und verschiedene Perspektiven auf das jeweilige Untersuchungsthema zusammenbringen. Das ist deshalb wichtig, weil soziale Medien von einem breiten Teil der Bevölkerung genutzt werden, der nicht mit einer geschichtswissenschaftlichen Brille auf geschichtsbezogene Inhalte schaut. Zudem spielen die sozialen Medien im Leben der Menschen ganz unterschiedliche Rollen und diese wollen und müssen wir in unserer Forschung berücksichtigen, um zu verstehen, wie geschichtsbezogene Inhalte wahrgenommen werden und welchen Einfluss die Plattformen darauf haben.