Am 16. April 1867 wurde mit der Verkündung der Verfassung des Norddeutschen Bundes der erste deutsche Bundesstaat und damit ein staatlicher Vorläufer der heutigen Bundesrepublik Deutschland gegründet. Der Historiker und Wikipedia-Autor Dr. Ziko van Dijk blickt zum 150. Jahrestag auf verschiedene Stationen auf dem Weg zu Gründung des Nationalstaats in Deutschland zurück. L.I.S.A. hat ihn zu alternativen Interpretationen neuerer deutscher Geschichte, zu nationalen Identitätsbildungsprozessen sowie zu seiner Arbeit an der Wikipedia befragt.
"Im Jahr 1848 liegen die eigentlichen Ursprünge unseres Gemeinwesens"
L.I.S.A.: Herr Dr. van Dijk, Sie sind Historiker und auch Mitglied des „wiki:teams für Medienkompetenz mit Wikipedia“. Als Wikipedia-Autor haben Sie vor allem Artikel zur neueren deutschen Geschichte verfasst, beispielsweise zur Märzrevolution von 1848 und zur Gründung des Norddeutschen Bundes 1866 bzw. 1867. Aus letzterem wurde vor 150 Jahren der erste deutsche Bundesstaat. Was interessiert Sie an dieser Epoche?
Als ich Schüler war, begann ich mich dank eines Freundes für die damalige Politik Ende der Achtziger Jahre zu interessieren. So kamen wir auch auf die Geschichte der alten Bundesrepublik. Für uns war die Bonner Republik „unser Staat“. Im Geschichtsunterricht dann begann die eigentliche politische Geschichte mit der Weimarer Republik. Das Jahr 1918 schien ein sinnvoller Anfangspunkt zu sein, während das Kaiserreich schon sehr fremdartig wirkte.
Ansatzweise im Geschichtsstudium, aber viel mehr noch danach, wurde für mich deutlicher, wo die eigentlichen Ursprünge unseres Gemeinwesens liegen. Im Jahr 1848 brach sich ein gesamtdeutsches Bewusstsein den Weg in die Öffentlichkeit, wie es im Vormärz allenfalls vorbereitet wurde. Die ersten deutschen Parteien zum Beispiel entstanden parallel zum ersten gesamtdeutschen Parlamentarismus der Frankfurter Nationalversammlung, und die meisten heutigen Parteien haben ihre Wurzeln in den 1860er-Jahren.