L.I.S.A.: Was sind Ihrer Meinung nach Bedingungen einer fröhlichen Wissenschaft? Wie steht es dabei um die Freiheit bzw. die Wissenschaftsfreiheit einerseits, andererseits aber auch um die Erwartungen der Gesellschaft an die Wissenschaft? Anders gefragt: Wie zweckfrei oder wie zweckgebunden sollte Wissenschaft sein? Und: Kann Wissenschaft ein guter Berater für politisches Handeln sein?
Prof. Mittelstraß: Zu den Bedingungen dafür, dass Wissenschaft gelingt und fröhlich für sie kein Fremdwort ist, gehört, dass das Prinzip der Forschungsfreiheit, sowohl als individuelles als auch als institutionelles Autonomieprinzip verstanden, uneingeschränkt gilt. Wissenschaft muss in dem Sinne frei sein, dass sie ihre Zwecke, unter ihnen die fundamentalen Zwecke der Wahrheit und der Objektivität, selbst bestimmt. Anders formuliert: sie gedeiht nur unter eigenen, nicht fremden Zwecken. Das heißt nicht, dass sie damit aus der Gesellschaft fällt. Neben ein Wissenschafts- oder Forschungsfreiheitsprinzip tritt, weil Freiheit stets Verantwortung impliziert, ein Verantwortungsprinzip - gegenüber sich selbst, das heißt bezogen auf die die Wissenschaft leitenden fundamentalen Zwecke, und gegenüber gesellschaftlichen Zwecken -, etwa in der Form: Lass dich leiten von der Lust auf das Neue und dem Willen zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält, aber achte darauf, dass es kein minderes Ziel ist, die Welt mit dem, was du forschend und entwickelnd tust, zusammenzuhalten. Das heißt: hier verbindet sich (individuell wie institutionell) ein wissenschaftlicher, theorie- und methodenorientierter Imperativ mit einem ethischen, verantwortungsorientierten und insofern auch durchaus politikaffinen Imperativ. Das ist im übrigen ein wesentlicher Kristallisationspunkt meines Buches.