Das Bekleidungsunternehmen C&A galt lange als öffentlichkeitsscheu. Journalistische Anfragen zur jeweils aktuellen Firmenpolitik oder gar zu einzelnen Etappen seiner Geschichte wurden grundsätzlich abgeschmettert. Erst seit der Jahrtausendwende öffnet sich das Unternehmen der Öffentlichkeit und gewährt Einblicke in seine Archive, um seine Geschichte erforschen zu lassen. Im Auftrag von C&A hat nun zuletzt der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Prof. Dr. Mark Spoerer eine umfassende Studie vorgelegt, in der er fünfzig Jahre Firmengeschichte (1911 bis 1961) untersucht und dabei inbesondere die nationalsozialistische Vergangenheit in den Blick genommen hat. Wir haben ihm zu seinem Buch unsere Fragen gestellt.
"Ich darf alle das Unternehmen betreffenden Akten sehen"
L.I.S.A.: Herr Professor Spoerer, Sie haben jüngst eine umfassende Arbeit zur Geschichte der Textilhandelskette „C&A“ verfasst, die im Verlag CH.Beck unter dem Titel „C&A. Ein Familienunternehmen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien 1911-1961“ erschienen ist. Ihr Projekt wurde bereits vor fünf Jahren in der Süddeutsche Zeitung in einem Artikel anlässlich einer Ausstellung über die Geschichte von C&A in der Zeit des Nationalsozialismus angekündigt. Wie kam es zu diesem Projekt? Welche Fragestellung hat Sie geleitet?
Prof. Spoerer: Ich wurde aus heiterem Himmel angerufen, ob ich mir vorstellen könnte, eine Unternehmensgeschichte von C&A mit Schwerpunkt der Geschichte des deutschen Zweigs im Dritten Reich zu schreiben. Ich fand das Thema vor allem deswegen interessant, weil sich C&A im Zweiten Weltkrieg mit je knapp zwanzig Filialen auf drei Seiten wiederfand: In Nazi-Deutschland, beim Kriegsgegner Großbritannien und in den besetzten Niederlanden. Außerdem reizte mich die Frage, auf welche Faktoren die Kontinuität als Familienunternehmen zurückzuführen ist. Letztlich führte dies zu einer Ausweitung des Themenbereichs auf alle drei Länder, in denen C&A von 1911 (erste Filiale in Deutschland) bis 1961 (Wiedererreichung der Vollbeschäftigung in der BRD, Mauerbau) aktiv war. Das Buch erscheint daher auch in einer englischen und einer niederländischen Fassung.
L.I.S.A.: Welche Quellen standen Ihnen bei Ihrer Forschungsarbeit zur Verfügung? Hatten Sie freien Zugang zum Archiv des Unternehmens?
Prof. Spoerer: Folgende Punkte wurden vertraglich vereinbart und standen nie zur Disposition: 1. Ich darf alle das Unternehmen betreffenden Akten sehen. 2. Ich darf alles schreiben. 3. Jeder Dritte muss meine in den Fußnoten zitierten Quellen nachprüfen können. Meine direkten Ansprechpartner im Projekt waren promovierte Juristen und Theologen, die den Wissenschaftsbetrieb kennen und daher gut nachvollziehen konnten, weshalb mir bestimmte Punkte sehr wichtig waren. Die Zusammenarbeit lief wirklich hervorragend.