Dr. Benjamin Irkens und Dr. Andy Reymann sind die Vorstandsvorsitzenden des Vereins Cinarchea e.V. Der prähistorische Archäologe und der Kulturanthropologe befassen sich schon seit langer Zeit nicht nur mit den materiellen Hinterlassenschaften vergangener Gesellschaften, sondern auch mit der Wirkung der wissenschaftlichen Ergebnisse der historischen Disziplinen Archäologie auf die heutige Gesellschaft. Im anstehenden Festival Artefacta, dass vom 19.-21. Mai in Düsseldorf stattfinden wird, geht es vor allem um die mediale Inszenierung von kulturhistorischen Themen. Im Interview mit der Archäologin Katja Grüneberg-Wehner erklären Benjamin Irkens und Andy Reymann einige Aspekte genauer.
Grüneberg-Wehner: Herr Dr. Irkens, Herr Dr. Reymann, Artefacta ist als Festival eine Neuauflage des alten Formats Cinarchea beziehungsweise der zuvor in Brandenburg an der Havel angesiedelten Archäomediale. Weshalb eine Neuauflage?
Dr. Irkens: Seit seiner Gründung 1994 verstand sich das Festival als reines internationales Archäologie-Dokumentarfilmfestival, da es jenseits der Printmedien zu diesem Zeitpunkt neben dem Dokumentarfilm keine nennenswerten Vermittlungsmedien gab. Nachdem 2017 erfolgreich Podcasts mit archäologischem Inhalt ebenfalls zum Wettbewerb zugelassen wurden, war es für uns als komplett neuer Vorstand (2019 gewählt) nun an der Zeit das Festival gänzlich für die digitale Welt zu öffnen. Es gibt heute eine Vielzahl an digitalen Vermittlungsformaten mit spannenden und hochinteressanten Themen, die teilweise häufiger genutzt werden als der Dokumentarfilm. Das es nicht nur bei der Archäologie bleiben soll, sondern auch kunst- und kulturhistorische Themen ebenfalls vertreten sein sollen, war uns von vornherein klar, da gerade diese Disziplinen immer schon untrennbar miteinander zusammenhängen. Unter dem Gesichtspunkt, dass wir nun neben dem reinen Dokumentarfilm alle digitalen Vermittlungsmedien zum Wettbewerb zulassen und darüber hinaus auch das Themenspektrum deutlich erweitert haben, brauchte das Festival euch einen neuen Namen: ARTEFACTA – International Festival for Audio-visual Representations of Archaeology, Cultural History and Art. Es ist somit keine Neuauflage, sondern die logisch Weiterentwicklung eines traditionsreichen Festivals, welche in seiner neuen Ausrichtung in Europa einzigartig ist.
Grüneberg-Wehner: Inwiefern unterscheiden sich digitale Medien von den Filmdokumentationen, denen das Festival früher galt?
Dr. Reymann: In der klassischen Dokumentation haben wir eine klare Vermittlungssituation: Der Filmemacher greift ein Thema auf, dass ansonsten nur in der Fachsprache behandelt wurde und erklärt es dem interessierten Zuschauer in neuen, meist einfachen Worten und begleitet von anschaulichen Bildern. Dabei bleibt der Zuschauer aber ein passiver Empfänger. Das ändert sich jedoch in den digitalen Vermittlungsformaten teilweise. Während bei den erzählenden Formen, wie Blogs, Podcasts und anderen Inhalten der Web 2.0 Ära, die Empfänger oft indirekt, etwa durch Kommentare, auf die weitere Gestaltung der Informationsvermittlung einwirken können, wird der interessierte „Besucher“ bei Apps, Games und VR-Führungen selbst aktiv. Auch wenn sich die Aktionsmöglichkeiten hier natürlich nur in einem eng begrenzten Rahmen bewegen, fühlt es sich für den Teilnehmer doch „realer“ an - und die Wissensvermittlung wird so auf ein neues Niveau gehoben.
Dr. Irkens: Besonders interessant ist auch zu sehen, wie die Produzenten von digitalen Vermittlungsformaten mit diesen umgehen. Im Gegensatz zum klassischen Dokumentarfilm, der damals sehr teuer und aufwendig zu produzieren war, ist es heutzutage nahezu jedem möglich mit einfachsten, kostengünstigen Mitteln digitale Vermittlungsformate zu erstellen. Über unterschiedlichste Social Media Kanäle ist es zudem möglich in direkten Austausch mit der interessierten Öffentlichkeit zu treten. Hier kann nicht nur ein aktuelles Stimmungsbild abgerufen werden, sondern auch direkt auf Wünsche, Ideen und Vorschläge eingegangen werden. Nie war es einfacher z.B. für ein Museum zu überprüfen, ob ihr Vermittlungsangebot auch den erwarteten Effekt hat - Kommen die Videos an? Wie wird die App angenommen? – damit dieses bei Bedarf angepasst werden kann.