L.I.S.A.: In Museumsdiskursen wird längst diskutiert, inwieweit Gewalt in Museen überhaupt darstellbar ist. Vor allem eine Emotionalisierung der Besucher wird gemeinhin kritisch betrachtet. Wie gehen die Museen in Peru und Chile mit dieser Herausforderung um?
Dr. Arellano Cruz: Diese Frage hat mehrere Elemente, die ich sehr interessant finde: Museumsdiskurse, Darstellbarkeit von Gewalt und die Kritik an der Emotionalisierung. Ich versuche auf alle drei einzugehen. Zunächst müsste man sich diese Frage in Bezug auf den Zweck der Museen stellen. Welche Funktion haben sie? Was ist die Zielgruppe? Wessen Geschichte wird da erzählt? Sind die Museen als Reparationsmaßnahme konzipiert? Oder verfolgen sie eher ein historisch-pädagogisches Ziel? Oder beides?
Museumsdiskurse werden von Fachleuten gepflegt und gehen nicht notwendigerweise auf die Bedürfnisse der Opfer ein. Wenn man sich kleinere lokale Museen in Lateinamerika anschaut, die von privaten Initiativen gestaltet und finanziert werden, sieht man, dass die Dauerausstellungen ganz persönliche (ästhetische) Kanonen verfolgen. Für manche „Museumsleute“ in Europa können diese Form der Präsentationen durchaus erschreckend sein, aber sie sind nun mal zusammen mit den Opfern konstruiert worden und stellen insofern deren Geschichte dar und zwar auf die Art und Weise, wie sie diese erzählen wollen und eben nicht anders.
Wenn Museumsdiskurse sich an die Besucher richten und ein pädagogisches Ziel verfolgen, müssen oft andere Strategien entwickelt werden. Hier ist zudem die jeweilige erinnerungspolitische Konjunktur des Landes zu berücksichtigen. Ist dieses Land willens seine Geschichte aufzuarbeiten? Und wenn ja, wie?
Nun zu dem zweiten Teil Ihrer Frage, die meiner Meinung nach, die vorherige Frage gut ergänzt. Beide Museen sehen als eine ihrer wichtigsten Aufgaben, den Imperativ Nunca Más zu fördern. Nie wieder sollen sich diese Ereignisse wiederholen; die Museen sollen durch Aufklärung dazu beitragen. Diese Aufgabe ist sehr schwierig, weil es sich um gespaltene Gesellschaften handelt. Dafür haben beide Institutionen es für richtig gehalten, die Besucher für die Thematik zu sensibilisieren, indem sie persönliche Erfahrungen von Betroffenen einen Raum geben. Dass diese Präsentationsstrategie emotional geladen ist und den Besuchern auf diese Ebene treffen soll, ist den Kuratoren bewusst und ich würde sogar behaupten, dass es beabsichtigt ist.
Zu Beginn meiner Forschung sah ich diese Strategie auch kritisch, jedoch hat sich meine Haltung durch die intensive Auseinandersetzung mit der Thematik stark verändert. Heute, vor allem für den peruanischen Fall, sehe ich fast keine andere Alternative als einen Ansatz, der durch Empathie auf das Leiden einer Bevölkerungsgruppe (meistens Kleinbauern in den Anden) während des Konflikts aufmerksam macht. Die Indifferenz der (politischen) Eliten und eines großen Teils der Bevölkerung ist sehr markant. „Der Blick in die Zukunft“ (oft als neoliberales Instrument) verdrängt die schwierige Vergangenheit, weil diese im Grunde eine Schande darstellt und aus Sicht vieler Leute ein Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes ist. Einerseits verschwindet dadurch das Interesse an die jüngste Geschichte. Andererseits sind die Probleme und Strapazen der Opfer gegenwärtig und verdienen unsere Aufmerksamkeit und vor allem verdienen sie Gerechtigkeit.
Die Folgen des Konflikts und der Militärdiktatur sind heute noch spürbar. Deswegen versuchen die Museen die Besucher zunächst zu sensibilisieren, indem sie mit den Lebensgeschichten von Individuen konfrontieren, mit denen sie sich möglicherweise identifizieren können.