Der Aufstieg des tertiären Sektors beziehungsweise der sogenannten Dienstleistungsbranche setzte in den westlichen Volkswirtschaften bereits in den 1970er Jahren an. Der Prozess der Umwandlung von primär industriell verfassten Ökonomien zu Dienstleistungsgesellschaften ist dabei auch mit einer Veränderung von gesellschaftlichen Normen und Werten verbunden. Eine Folge dieses sozioökonomischen Wandels ist möglicherweise die Rückkehr der Diener in westlich geprägten Privathaushalten. Man verfügt wieder über Personal. So lautet die These des Historikers Dr. Christoph Bartmann - seit 2016 Direktor des Goethe-Instituts in Warschau - in seinem neuen Buch. Wir wollten von ihm wissen, was er genau unter Diener und Dienen mit Blick auf Geschichte und Gegenwart versteht, wer heute warum Diener in Anspruch nimmt und was das für das Konzept von Arbeit in der Zukunft bedeutet.
"Was sind das für Leute?"
L.I.S.A.: Herr Dr. Bartmann, Sie haben ein Buch mit dem Titel „Die Rückkehr der Diener“ geschrieben, in dem Sie das neue Bürgertum und sein Personal untersuchen. Wie kamen Sie auf dieses Thema? Welche Beobachtung und zentrale Fragestellung haben Sie dabei geleitet?
Dr. Bartmann: Den Anstoß zu dem Buch gaben Eindrücke in New York, wo ich von 2011 bis 2016 wohnte. Überall sah ich ‚Personal‘ am Werk, nicht nur in den Haushalten der Oberklasse, sondern besonders in der Mittelschicht. Das sind einerseits schon bekannte Phänomene wie Nannies oder Haushälterinnen, andererseits neue wie die digitalen Serviceplattformen mit ihren Apps, die da mühelose Buchen von Bequemlichkeitsdiensten aller Art erlauben. Meine Frage ist erstens: was sind das für Leute, die "uns" auf diese Weise Entlastung verschaffen. Und zweitens: was sind die Gründe für unser rasant gestiegenes Verlangen nach Entlastung?