„Sehnsuchtsorte und Heimat in der Bonner Republik“ ist das Thema der Ringvorlesung. Da lässt sich viel finden, von Heinrich Böll, der über Irland als Sehnsuchtsort schreibt, über Wolfgang Koeppens Roman „Das Treibhaus“, in dem dieser Entfremdung gegenüber der Gegenwart in der Bonner Republik thematisiert bis zur Ästhetik der zerstörten Städte – Heimat und Sehnsuchtsorte stellen ebenso Eckpunkte der fragilen Nachkriegszeit dar wie der 1980er Jahre, als die Region der Bonner Republik in der Wahrnehmung zunehmend in Richtung Berlin rückte. Dabei orientiert sich das Thema der Ringvorlesung an der sehr aktuellen Debatte um Fremderfahrung und Heimatgefühl und schafft gegenüber dieser aktuellen Debatte historische Distanz. Wie vertrug sich in der jungen Bonner Republik die Sehnsucht nach Internationalität (Paris, London, Italien, Mallorca u. a.) mit den ebenfalls virulenten und verstärkten Regionalisierungstendenzen, wie manifestieren sich Sehnsucht nach der Ferne und Heimatgefühl / Heimweh in Literatur / bildender Kunst / populärer Kultur / Alltagspraxis / Werbung? Wie modellierte beides die Sicht auf den italienischen und türkischen Gastarbeiter (und evt. vice versa)?
Der einführende Vortrag schlägt über die Begriffe "Sehnsuchtsort" und "Heimat" einen Bogen in die Befragung der Bonner Republik als Topos in der Gegenwartsliteratur. Die "Bonner Republik" als Erinnerungsort der Kindheit zwischen Schuld, Schoah und Weltkrieg und Wirtschaftswunder und Digitalisierung im neuen Jahrtausend als Herausforderung für die literarische Bearbeitung.