L.I.S.A.: Wie schätzen Sie die Stimmung unter frisch Promovierten ein? Was herrscht vor? Optimismus oder eher Skepsis mit Blick auf Karrierechancen?
Dr. Chrubasik: Es herrscht eher Skepsis mit Blick auf Karrierechancen. Viele lassen sich schnell verunsichern durch Absagen oder sehen keine Möglichkeit, neben der Promotion, weitere Standbeine aufzubauen. Dabei steht der Berufswunsch „Nachwuchswissenschaftler“ so stark im Vordergrund, dass die anderen Berufsfelder wie Notlösungen verstanden werden: „Ich könnte mir auch vorstellen, etwas mit Ausstellungen zu machen“. Trotz der vielen Informationsmöglichkeiten, die heute angeboten werden, ist es für mich jedes Mal erstaunlich, wie wenig die Promovierten im Laufe Ihres Studiums mit der Praxis, d.h. den realen Gegebenheiten in Berührung kamen und wie überrascht sie sind, dass es u.U. schwierig werden könnten, erst nach der Promotion umzudenken und neue Wege einzuschlagen.
Dr. Rathmann: Gerade bei den frisch Promovierten war das Interesse am Thema mit einer latenten Skepsis vor dem ‚endgültigen‘ Schritt in die Wissenschaftslaufbahn unterlegt. Ich hatte bei den Fragen stets den Eindruck, dass sie nach einem sicheren Anker für ihre Zukunft suchten. Offenbar waren sie durch zahlreiche Gespräche und die mediale Berichterstattung verunsichert. Hier schien es mir wichtig, Vertrauen aufzubauen und nochmals die Bewertungskriterien für den beruflichen Werdegang zu schärfen. Wichtigste Entscheidungsmomente sind die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten sowie der Wille, diesen Weg auch wirklich einschlagen zu wollen. Letztlich ist es trivial: Nur wenn man das macht, von dem man persönlich überzeugt ist und von dem man glaubt, es auch gut zu beherrschen, nur dann wird man Erfolg haben. Aber dies gilt für jede Karriere – ob innerhalb oder außerhalb der universitären Wissenschaft. Denn es ist ein großer Irrtum unserer Tage, dass vermeintlich gute Berufsaussichten das Kriterium schlechthin wäre. Auch als Anwalt oder Ingenieur kann man kolossal scheitern, wenn man diesen Weg ohne das notwendige Geschick oder die innere Überzeugung, sondern aus rein wirtschaftlichen Erwägungen einzuschlagen.