Es sind nicht mehr die großen Maschinen und Fließbänder, die heute den Takt der Arbeit allein vorgeben. Computer und Bildschirme gestalten und prägen mehr denn je die Produktion, bestimmen aber auch Distribution und Konsumtion. An diesem Wandel vom industriellen zum sogenannten digitalen Kapitalismus sind große Erwartungen geknüpft, die vor allem Folgendes versprechen: neues wirtschaftliches Wachstum durch Innovation und Effizienz mit zukunftsweisenden Perspektiven für Arbeit und Wertschöpfung. Die großen Unternehmen der digitalen Sphäre, wie beispielsweise Google, Facebook oder Amazon, scheinen für dieses Versprechen Pate zu stehen. Der Soziologe Dr. Philipp Staab vom Institut für die Geschichte und Zukunft der Arbeit (IGZA) hat sich dieses Versprechen genauer angeschaut und dabei insbesondere die Folgen des digitalen Kapitalismus auf den Faktor Arbeit untersucht. Wir haben ihm zu seinen Ergebnissen unsere Fragen gestellt.
"In den vergangenen Jahrzehnten unterschiedliche Hoffnungsträger"
L.I.S.A.: Herr Dr. Staab, Sie haben zuletzt einen kleinen Band mit dem Titel „Falsche Versprechen. Wachstum im digitalen Kapitalismus“ veröffentlicht. Der Titel spricht bereits für sich - es geht um die Frage, ob und wenn ja, wie der digitale Wandel zu mehr wirtschaftlichem Wachstum beitragen kann. Die Antwort liefern Sie gleich mit: Ein falsches Versprechen. Bevor wir darauf noch konkreter eingehen, könnten Sie kurz die Ausgangslage Ihrer Studie skizzieren?
Dr. Staab: Die Ausgangslage besteht in einer Diagnose über unsere wirtschaftliche Gegenwart, die von Ökonomen häufig als säkulare Stagnation der Weltwirtschaft, insbesondere der hochentwickelten Ökonomien bezeichnet wird. Das historische Gedächtnis in Ländern wie Deutschland oder den USA ist stark geprägt von der relativ kurzen Phase enormen Wirtschaftswachstums, die, mit unterschiedlichen regionalen Ausprägungen, etwa von den 1930er Jahren bis in die frühen 1970er Jahre reichte. Seither befinden wir uns in der OECD-Welt in einer Phase langfristig rückläufigen Wirtschaftswachstums.
Diese Situation hat in den vergangenen Jahrzehnten unterschiedliche Hoffnungsträger auf den Plan treten lassen: in den 1990er und frühen 2000er Jahren wurde beispielsweise die Globalisierung von Produktion und Warenverkehr im Gespann mit einer Liberalisierung der Finanzindustrie als neuer Motor wirtschaftlichen Wachstums vielerorts gepriesen, ebenso wie die sogenannte New Economy aus Technologieunternehmen. Heute sehen das viele Menschen anders: Die Finanzindustrie ist spätestens seit der Krise seit 2008 deutlich in Misskredit geraten, die Globalisierung wird als Ursache der Zunahme sozialer Ungleichheit oder gar als Triebkraft des Aufstiegs des Rechtspopulismus beschrieben. Als einstweilen letzter großer Hoffnungsträger übrig geblieben sind die digitalen Technologien, deren tiefe ökonomische Krise nach dem Platzen der Dotcom Blase heute scheinbar als Kinderkrankheit abgetan wird.
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Was und wem nutzt das ?
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Mit freundlichen Grüßen
Ihre L.I.S.A.Redaktion
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mfg
A. Behn
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möglicherweise lag es an dem nicht ganz korrekt gesetzten Bindestrich. Wir haben das Schriftbild gerade angepasst. Erklärt es sich so besser?
Mit freundlichen Grüßen
Ihre L.I.S.A.Redaktion
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den letzten Satz:
("Dies deutet eher in die Richtung von Reallohn – und damit Nachfrageverlusten.")
verstehe ich nicht. Könnte ich da eine Erklärung haben?
mfg
Andreas Behn