L.I.S.A.: Frauen haben heutzutage viele Sportarten erobert, die lange Zeit als Männerdomänen galten. Dies lässt sich auch als Zeichen zunehmender Gleichberechtigung verstehen. Lassen sich über das Verhältnis von Gender und Sport Rückschlüsse auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen ziehen? Und umgekehrt, lassen sich über den Sport eventuell neue Geschlechterkonzepte in die Gesellschaft tragen?
Westermeier: Wie die genannten Beispiele zeigen, ist Sport in die jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Kontexte eingebunden. Der Blick in die Historie des Sports zeigt jedoch auch, die mitunter abstrusen Argumente, mit denen Frauen – aber auch Männer – von bestimmten Sportarten ausgeschlossen wurden und wie diese an Überzeugungskraft verloren. Die Veränderung der geschlechtsspezifischen Zuschreibungen im Sport lassen annehmen, dass auch heutige Zuschreibungen außerhalb des Sports nicht unveränderbar sind.
L.I.S.A.: Sie schreiben, dass in kaum einem Bereich die Geschlechtertrennung so akzeptiert ist wie im Sport. Lange Zeit waren Frauen und teilweise Männer komplett von bestimmten Sportarten ausgeschlossen. Ist es ein Ziel aus Sicht einer geschlechterwissenschaftlichen Perspektive diese Trennung letztlich aufzuheben?
Westermeier: Meiner Meinung nach sollte Wissenschaft keine politischen Ziele verfolgen. Eher ist es ihre Aufgabe, historische und gesellschaftliche Entwicklungen aufzuzeigen und zu erklären. Den Bereich des Sports finde ich besonders spannend, da hier ständig ein expliziter Körperbezug präsent ist. Es ist eine dezidiert körperliche und körperzentrierte Praxis, in der Körper Träger, Vollzugsmedium und auch Produzent sozialer Ordnungen und kultureller Bedeutungen ist. Der Ausschluss von bestimmten Sportarten wurde bei Frauen nicht selten mit deren spezifischer Anatomie erklärt, auf die sich sportliche Aktivität negativ auswirke, etwa die Fruchtbarkeit beeinträchtigen könne. Viele dieser Argumente sind aus heutiger Sicht abwegig, mitunter absurd. Da liegt der Verdacht nahe, dass auch heute gültige Argumentationsmuster in Zukunft an Wirkmächtigkeit verlieren könnten.
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