Bibliotheken gibt es, seitdem es Schriftsammlungen aus Papyrus, Pergament und aus Papier gibt. Diese Sammlungen bedürfen einer Behausung, eines Aufbewahrungsortes - einer Bibliothek. Wie die jeweilige Bibliothek gestaltet war und ist, welche Architektur sie hat, hängt nicht nur von Baummoden ab, sondern auch von der jeweiligen gesellschaftlichen Verfasstheit. So haben beispielsweise Bibliotheken aus der Zeit des Mittelalters, der Renaissance, des Absolutismus in Europa, des 19. und 20. Jahrhunderts ihre jeweils spezifische Ausprägung. Die Architekturhistorikerin Dr. Maxi Schreiber erforscht derzeit die Architektur von ausgewählten öffentlichen Bibliotheken in Deutschland und in den USA und fragt dabei danach, welche Rolle die Geschichte des jeweiligen Ortes für Bibliotheken spielt. Wir haben ihr dazu unsere Fragen gestellt.
"Öffentliche Bibliotheken stehen in Deutschland im Schatten akademischer Bibliotheken"
L.I.S.A.: Frau Dr. Schreiber, Sie forschen derzeit zur Architektur öffentlicher Büchereien in Deutschland und Amerika. Ihnen geht es dabei um das Wechselverhältnis von Geschichte und Architektur. Bevor wir zu einigen Einzelheiten kommen, was hat Sie zu diesem Thema bewogen? Welche Überlegungen gingen Ihrem Forschungsprojekt voraus?
Dr. Schreiber: Der Gedanke, mich mit Bibliotheksarchitektur zu beschäftigen, kam mir in einer Bibliothek und entstand aus meiner Perspektive als Nutzerin. Ich bin oft zwischen den Universitäts- und Staatsbibliotheken im Osten und Westen von Berlin gependelt und war von der Gegensätzlichkeit der Gebäude total verblüfft. Die neueren Bauten im Osten sind ja sehr monumental gestaltet. Im Grimm-Zentrum kann man aufgrund der vertikalen quadratischen Konzeption eigentlich nur im Viereck laufen. Da fühlte ich mich sehr eingeschränkt. Auch die neue Staatsbibliothek setzt viel auf vertikale, fast prozessionsartige Wege, wenn man die neue Treppenhalle hinaufgeht. Wenn man das Grimm-Zentrum mit der Philologischen Bibliothek und der Campusbibliothek der Freien Universität vergleicht, um neuere Beispiele zu nehmen, steht da strenge Wucht gegen zugängliche und flexible Architektur.