L.I.S.A.: Wenn Sie alle Mittel zur Verfügung hätten, um eine Bibliothek frei entwerfen zu können, wie sehe diese aus? Was wäre Ihnen besonders wichtig?
Dr. Schreiber: Ich bin ja keine Architektin, aber wenn Sie mich fragen, wie ich mir eine Bibliothek vorstelle, dann wäre mir die Einbeziehung der Nutzer besonders wichtig. Damit meine ich eine intensive Zusammenarbeit von Anfang an, eine Beteiligung, die über Befragungen hinausgeht. Mir wäre wichtig, dass die Bibliothek zu den Menschen geht und sich nicht damit zufrieden gibt, Informations- und Inputveranstaltungen zu machen. Denn dann erreicht man nur die, die an dem jeweiligen Tag da sind, Zeit haben und sich trauen mitzumachen.
Ideal fände ich eine lange Zusammenarbeit, die sich auch den Menschen zuwendet, die vielleicht noch nie in einer Bibliothek waren. Ich kann mir eine Beteiligung nach dem Prinzip der Bürgerräte gut vorstellen, also eine Art Bürgerrat für Bibliotheksarchitektur. Man müsste neben der Outreach Initiative ein festes Gremium haben, das mit den Architekten und Bibliothekaren zusammenarbeitet und in dem alle Gesellschaftsgruppen vertreten sind, so dass die ganze Stadtgesellschaft repräsentiert ist. Das ist harte Arbeit und läuft nicht ohne Konflikte ab. Ein Kapitel in meinem Buch handelt deshalb von der Bürde der Bürgerbeteiligung.
Ansonsten stelle ich mir die ideale öffentliche Bibliothek als abwechslungsreichen und lebendigen Ort vor. Es sollte ein Ort der Geborgenheit und Kreativität sein. Eine Bibliothek sollte für mich auch eine abwechslungsreiche Umgebung sein, die eine Art Schutzzone zur hektischen Stadt schafft. Es könnte einen Park mit Hängematten und Garten davor geben und in der Bibliothek begrünte Innenhöfe oder Terrassen, so dass man sich gern und lange aufhält und zwischendurch an die frische Luft gehen, um draußen zu lesen, wenn es die Jahreszeit erlaubt. Möbel und Tische sollten gemütlich und am besten ergonomisch sein, so dass man sie lange benutzen kann. Ich wünsche mir viel Platz und Räume, die ganz unterschiedlich aussehen. Die Einrichtung wäre dementsprechend abwechslungsreich, vielleicht große Holztische an Lesenischen mit großen Fenstern. So hätte ich das Gefühl, einen Ort für mich zu haben, wenn ich aber die ruhige Arbeitszone verlasse, kann ich auch anderen Leuten begegnen oder in einem Maker Space etwas ausprobieren, einen Podcast produzieren usw.
Freundliches und aufgeschlossenes Personal und lange Öffnungszeiten sind außerdem wichtig. Eine Atmosphäre, in der man sich willkommen fühlt und wo jeder das Gefühl hat, dass es sein öffentlicher Ort ist, den er bewohnen und beleben kann. Wichtig ist mir, dass man in der Bibliothek ein Gefühl von Aneignung schaffen kann, dass die Nutzer sich das Gebäude aneignen. Dafür braucht man auch Regeln, damit das klappt.
Genauso gut kann ich mir vorstellen, dass man bereits bestehende Gebäude – zum Beispiel leere Shoppingmalls, alte Bahnhöfe oder Fabriken – umgestaltet und wiederbelebt. Diese Art der Nutzung ist nachhaltig und aufgrund des Sandmangels für die Betonherstellung notwendig. Sie könnte außerdem helfen, die "sterbenden“ Innenstädte neu zu beleben.