Vor knapp zwei Wochen schlug Spiegel-Online in einem Artikel Alarm: "Vier von zehn Schülern wissen nicht, wofür Auschwitz steht", so der Titel des Beitrags über die von der Hamburger Körber-Stiftung in Auftrag gegebene Umfrage zum Geschichtsunterricht in Deutschland. Der Schluss, dass Schülerinnen und Schüler kaum noch über Geschichtswissen verfügten, liegt demzufolge nah. Die daran anschließende Frage lautet daher: Wer ist schuld daran? Die Lehrerinnen und Lehrer? Ist der Geschichtsunterricht so schlecht? Wir haben Sven Tetzlaff, Leiter des Bereichs Bildung der Körber-Stiftung, diese und andere Fragen gestellt, der dabei zu überraschenden Ergebnissen kommt.
"Erfahrungen und Wünsche von Schülern in die Debatte einbeziehen"
L.I.S.A.: Herr Tetzlaff, die Körber-Stiftung hat eine Umfrage zum Geschichtsunterricht in Deutschland durchführen lassen. Bevor wir zu den Ergebnissen kommen, warum diese Umfrage? Was ist der leitende Gedanke dabei bzw. welche Annahme hat die Umfrage veranlasst?
Tetzlaff: Um den Geschichtsunterricht wird seit einigen Jahren intensiv gerungen. Dabei geht es um die Frage, welchen Beitrag er zur politischen Bildung junger Menschen leistet. Und es geht um seine Rolle im Fächerkanon und im schulischen Curriculum, also darum wie, in welchem Umfang und mit welchen Inhalten er vermittelt wird. Es wird beklagt, dass der Geschichtsunterricht nicht mehr seine Aufgaben erfüllen würde und nicht mehr zeitgemäß sei. Das alleine ist schon Grund genug danach zu fragen, wie es um den Geschichtsunterricht bestellt ist.
Für uns als Körber-Stiftung spielt der Geschichtsunterricht darüber hinaus eine wichtige Rolle bei der Durchführung des Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten. Damit fördern wir zwar die außerschulische Projektarbeit: nur ganz wenige Projekte finden innerhalb des regulären Unterrichts statt. Aber die Grundlagen historischen Arbeitens, auf die die Projektarbeit aufbaut, vermittelt natürlich in erster Linie der Geschichtsunterricht. Wenn er zeitlich beschnitten und fachlich in die Defensive gedrängt wird, leidet automatisch auch die außerschulische historische Bildungsarbeit. Daher fügte es sich sehr gut, dass der Verband der Geschichtsdidaktiker und Didaktikerinnen seine vor kurzem abgehaltene Zweijahrestagung dem Geschichtsunterricht im 21. Jahrhundert gewidmet hat und wir neben der Bundeszentrale für politische Bildung, der Humboldt Universität und dem Deutschlandfunk Kooperationspartner sein durften. Wir haben für die Auftaktdiskussion die Ergebnisse einer repräsentativen forsa-Umfrage zum Geschichtsunterricht unter Bundesbürgern ab 14 Jahren eingespeist, um die Erfahrungen und Wünsche der Bevölkerung allgemein und von Schülern insbesondere in die Debatte einbeziehen zu können.