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Affekte, die in der Mimik und Gestik ihren Ausdruck finden, zählen zweifellos zu den fundamentalen Eigenschaften des Menschen. Dennoch sind solche Phänomene für zahlreiche Philosophen, Naturwissenschaftler, Theologen, Künstler und Kulturhistoriker nicht nur ein wesentliches Merkmal unserer eigenen Spezies, sondern auch bei vielen (anderen) Tierarten zu beobachten. Einen zentraler Punkt für dieses Problemfeld stellt die Ähnlichkeit bzw. die Unterschiedlichkeit von Mensch und Tier dar. Eng verbunden damit ist ebenfalls das Phänomen des Anthropomorphismus‘, um das es auch im hier vorgestellten Beitrag gehen soll.
Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag, den ich auf dem großartigen Sommerkurs „Affekt und Wirkung“ der Stiftung und Bibliothek Werner Oechslin vom 24. – 28. Juni 2012 in Einsiedeln halten durfte und referiert außerdem auf meine Dissertation, die eine umfangreiche Untersuchung zu den anthropozoomorphen Hybriden des Schweizer Malers Arnold Böcklin darstellt. Im Vortrag setzte ich mich speziell mit Affektdarstelllungen bei Tieren sowie den dahinter stehenden geistesgeschichtlichen und naturwissenschaftlichen Ideen auseinander, die für die Vorstellungen über das Verhältnis von Mensch und Tier konstitutiv waren und teilweise noch immer sind. Aufgrund des Umfangs dieses Themas konnte ich dabei zwar keine generelle Phänomenologie und Geschichte der Beziehung zwischen Affektion und Anthropomorphismus vorstellen, aber doch ein paar wegweisende „Schlaglichter“ an prägnanten historischen Punkten aufzeigen.
Bereits in Aristotelis` (384 – 322 v. Chr.) Nikomachischer Ethik unterscheiden sich Tiere maßgeblich dadurch vom Menschen, dass ihnen die rationalen Vermögen fehlen und sie stattdessen über besonders starke sinnliche Wahrnehmungen verfügen, aus denen auch intensive Empfindungen und Leidenschaften resultieren[1]. Diese These war für die nachfolgende abendländische Kultur zwar sehr einflussreich, aber nur eine von vielen Ideen, weshalb sie stets umstritten blieb und ständig neue Modifikationen erfuhr. Das zeigt sich auch in der Philosophie der Neuzeit am sogenannten „Tierseelenstreit“[2], dessen vielleicht prominenteste Vertreter Michel de Montaigne und René Descartes sind.
Anders als Aristotelis postulierte Montaigne (1533 – 1592) in seinen „Essais“ (erste Ausgabe 1580), dass Tiere ein dem Menschen in vielen Punkten ähnliches bewusstes Denken ebenso wie menschenähnliche Emotionen besitzen, wobei ihnen lediglich die höheren abstrakten Vermögen fehlen[3].
Die Gegenthese wurde vor allem in der cartesischen Denktradition betont[4]. Nach ihrer „Standartinterpretation“ galten Tiere weitgehend als selbstbewegte aber seelenlose Maschinen (Bêtes-machine)[5], die zwar zu Trieben und mechanistischen Körperäußerungen fähig sind[6], aber keinerlei bewusste und rationale Elemente aufweisen.
Bereits an diesen Beispielen zeigt sich, dass der entscheidende Punkt, an dem die „anthropologische Differenz“[7] festgemacht wurde, für zahlreiche Autoren besonders die rationalen, reflexiven und abstrakten geistigen Fähigkeiten waren, die Menschen von Tieren unterscheiden[8]. Es wäre zwar verfehlt, zu behaupten, dass Affekte hier etwas darstellen, das sie den verschiedenen Spezies‘ im gleichen Umfang zusprachen, dennoch fungierten die Empfindungen und deren Ausdruck in den physiognomischen Veränderungen häufig als Eigenschaften, die eher eine Annäherung zwischen Mensch und Tier ermöglichten.
Dieses Problem fand auch in der bildenden Kunst seinen Ausdruck, in der häufig menschliche „Passionen“ auf Tiere übertragen wurden. Jene Idee referierte weniger auf Descartes sondern vor allem auf Aristotelis, der Parallelen im Verhalten sowie Charakter verschiedener Spezies‘ postulierte und physiognomische Ähnlichkeiten zwischen bestimmten Menschentypen und einzelnen Tierarten beschrieb[9]. Solche Vorstellungen beeinflussten zahlreiche Traktate der Neuzeit wie z. B. Giambattista della Portas (1535 – 1615) „De humana Physiognomia“ von 1586 sehr stark.
Auch Charles Le Brun (1619 – 1960) fertigte 1665 – 1670 für seine „Conférences“ Zeichnungen von Tiergesichtern an. Das Besondere an diesen ist, dass le Brun hier im Gegensatz zu seinen Vorgängern nicht nur physiognomische Merkmale unterschiedlicher Spezies‘ miteinander verglich, sondern ebenso individualisierte Darstellungen der Gesichter von bspw. Katzen und Ochsen anfertigte. So erscheinen auf einem Blatt verschiedene Katzenköpfe, auf denen einer – nach eigenen Angaben des Autors – neugierig und starrsinnig aussieht, während ein anderer eher aggressiv erscheint (Abb. 1)[10].
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