Denkt man an gefälschte Bücher, fallen einem gleich die sogenannten Hitler-Tagebücher oder auch die vermeintlichen Protokolle von Zion ein. Doch das Spektrum der Fälschungsforschung rund um das gedruckte Schriftgut umfasst weitaus mehr, als nur das Enttarnen von spektakulären Buchfälschungen. In Universitätsbibliothek Heidelberg dokumentiert von Mai an eine Ausstellung das Thema "Fälschungen und Bücher" - unter anderem durch Gegenüberstellungen von echten Büchern und gefälschten Kunstwerken. Kuratiert wird die Schau von dem Heidelberger Kunsthistoriker Prof. Dr. Henry Keazor, der bereits seit Jahren zum Phänom der Kunstfälschungen intensiv forscht. Wir haben ihn dazu befragt.
"Faszination für die Figur des Fälschers"
L.I.S.A.: Herr Professor Keazor, gemeinsam mit Dr. Maria Effinger bereiten Sie zurzeit eine Ausstellung mit dem Titel „Fake: Fälschungen, wie sie im Buche stehen“ vor. Mein weiß von Ihnen, dass Sie intensiv zu Fälschungen unter anderem in der Bildkunst geforscht haben. Nun das Thema Fälschungen und Bücher. Was haben Fälschungen und Bücher genau miteinander zu tun?
Prof. Keazor: Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass Fälschungen und Bücher nicht allzu viel miteinander zu tun haben – tatsächlich aber gibt es da recht viele und zum Teil sehr enge Bezüge: Zum einen studieren Fälscher sehr oft Bücher über bestimmte Künstler, um daraus Vorbilder und Vorlagen für ihre Fälschungen im Stil eben dieser Künstler zu gewinnen. Außerdem beziehen sie sehr oft das notwendige Wissen hinsichtlich der bei der Fälschung zu beachtenden Technik oder der zu fälschenden Provenienz für das vermeintliche Original aus Büchern. Selbst die Einschleusung der Fälschungen in Kunstmarkt und Kunstgeschichte geschieht dann häufig über Bücher: Entweder, indem man Experten von der angeblichen Echtheit der Fälschung überzeugt, so dass sie dann als vermeintliches Original in Werk- oder Ausstellungskatalogen landet. Oder aber, indem der Fälscher dann eben zu Täuschungszwecken direkt Hand an ältere Kataloge legt und sie manipuliert, indem er unter die echten Werke seine Fälschungen mischt und diesen so eine Geschichte gibt, die sie eigentlich gar nicht haben – so geschehen im Fall von John Drewe, der die von seinem Komplizen John Myatt gemalten Fälschungen ab Mitte der 1980er in Ausstellungskataloge aus den 1950er Jahren hineinbastelte, so dass es schien, als seien die Bilder damals schon in wichtigen Ausstellungen zu sehen gewesen. Und schließlich können ganze Bücher die eigentliche Fälschung darstellen: Man denke z.B. an den 2012 als Fälschung entlarvten Band des „Sidereus Nuncius“, Galileo Galileis 1610 erschienener Schrift „Der Sternenbote“, wo es 2005 so schien, als habe man eine Ausgabe entdeckt, in die Galilei, wie ein Künstler, von Hand die Vorlagen für die zu druckenden Monddarstellungen selbst hineingemalt habe – bis sich das Ganze dann eben als Fälschung erwies.
Aber Bücher haben auch in der sozusagen umgekehrten Richtung mit Fälschungen zu tun: Sie werden von Fälschern nicht nur für ihre Zwecke benutzt, sondern in wissenschaftlichen Bücher werden Fälscher auch enttarnt. Allerdings kann das auch wiederum dazu führen, dass die Fälscher dann anschließend ihre eigene Geschichte vermarkten, in dem sie Autobiografien schreiben oder von Biografen ihren Lebensweg darstellen lassen. Dahinter steht dann die Faszination für die Figur des Fälschers, die auch auf eine seit dem 19. Jahrhundert bestehende Roman- und Erzähltradition zurückgeht, wo Fälscher die Hauptfiguren darstellen.