L.I.S.A.: Sie zeigen in Ihrer Studie, dass es Unterwanderungsversuche durch andere Arbeitssportler und Arbeitssportlerinnen gab, die dem NS-Regime kritisch gegenüber standen. Wie kann man sich diese Unterwanderungsversuche vorstellen? Und warum ließ das Regime diese zu?
Dr. Timpe: In den Quellen finden sich einige Hinweise auf solche „Unterwanderungen.“ Zum Teil ging es hier darum, weiter Orte und Möglichkeiten zu haben, um gemeinsam Sport zu machen. Nach der Zerschlagung der Arbeitersportbewegung durch die Nationalsozialisten nutzen also einige Arbeitersportler und Arbeitersportlerinnen die neuen KdF-Angebote als Räume für ihr Sporttreiben. Dies wird auch in Umfragen bestätigt, die Hans Joachim Teichler in den 1980er Jahren unter ehemaligen Arbeitersportlern durchgeführt hat.
Daneben gab es auch Versuche von marxistischen Gruppierungen, konspirative Treffen und widerständige Aktivitäten unter dem Deckmantel von KdF-Veranstaltungen durchzuführen. So gab es etwa „kommunistische KdF-Wandergruppen“ oder KdF-Tanzkurse, die von Marxisten geleitet wurden. Die Behörden und auch KdF wussten allerdings oft von diesen Zuständen, und so entspann sich in einigen Fällen ein „Katz und Maus“-Spiel. Selten kam es jedoch zu einem scharfen Durchgreifen der Behörden. Das Regime ließ diese Unterwanderungsversuche wohl auch zu, weil die Aktivitäten auf der reinen Sportebenen verblieben und somit nicht wirklich systemgefährdend waren. Es ist auch vorstellbar, dass das Regime es duldete, weil einige der Ziele, die KdF im Bezug auf Sport verfolgte, letztendlich auch durch solche Aktivitäten erfüllt wurden.
L.I.S.A.: Sie haben mit zahlreichem alltagsgeschichtlichem Material und insbesondere mit der Oral History-Quellen gearbeitet. Dabei haben Sie auch Erinnerungen nach 1945 in den Blick genommen. Wie erinnern sich die früheren Teilnehmer an ihre KdF-Zeit?
Dr. Timpe: Es sind zumeist positive Erinnerungen. Ich zitiere zum Beispiel eine Frau, die bei Thyssen während des Krieges für KdF Sportkurse leitete und die noch vierzig Jahre später über die “schöne Zeit” spricht. Dies passt auch zu einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 1949. Auf die Frage, ob es etwas gab, das ihnen am Nationalsozialismus besonders gut gefallen hat, lautete die meist wiederholte Antwort der Befragten: “Kraft durch Freude.”