Im "Robbenreich" im Nordpazifik treffen sich nicht nur der asiatische und der nordamerikanische Erdteil, sondern es prallen auch verschiedene Einflusssphären und Interessen aufeinander. Wo lange abenteuerlustige Männer auf Robbenjagd gingen, wich das individuelle Abenteuer bald der skruppellosen Ausbeutung natürlicher Ressourcen durch staatliche Akteure. Der Historiker Prof. Dr. Robert Kindler erzählt die Geschichte des Robbenreichs als eine "mikroglobale" Geschichte von Ressourcenkonflikten, Herrschaftsdurchsetzung und globalem Handel. Hierzu haben wir ihm unsere Fragen gestellt.
"Zusammenhang von Ressourcenkonflikten, Herrschaftsdurchsetzung und Rauchwarenhandel"
L.I.S.A.: Professor Kindler, in Ihrem neuen Buch „Robbenreich“ setzen Sie sich mit der Geschichte des Nordpazifiks zwischen Alaska und Kamtschatka auseinander. Was hat Sie dazu bewogen, sich gerade dieser sehr abgelegenen Region anzunehmen?
Prof. Kindler: Das war eine Mischung aus Zufall und Neugier: Eigentlich hatte ich vor, mich mit dem russländischen Pelzhandel im 19. und frühen 20. Jahrhundert in globalhistorischer Perspektive zu beschäftigen. Doch je mehr ich mich in das Thema einlas, desto mehr faszinierte mich das Geschäft mit den Pelzrobben. Ich habe dann schnell verstanden, dass die zahlreichen Konflikte um diese Felle es mir erlauben, eine mikroglobale Geschichte zu entwickeln, in der ich – ausgehend von einigen kleinen Inseln im Nordpazifik – den komplexen Zusammenhang von transnationalen Ressourcenkonflikten, imperialer Herrschaftsdurchsetzung an der Peripherie und globalem Rauchwarenhandel untersuchen kann. Es ging also zunächst weniger darum, eine möglichst „exotische“ Region zu untersuchen. Aber natürlich; am Ende ist es auch eine Geschichte russländischer und sowjetischer Präsenz am Nordpazifik geworden.