Mit der Deutschen Demokratischen Republik, kurz DDR, verbinden wir heute unter anderem Überwachung, Beschränkungen und strikte Vorgaben, die auch vor der Musikbranche nicht Halt machten. Doch wie entwickelte sich die Musik in der DDR und wie wurde die DDR-Musik von Bevölkerung und Staat wahrgenommen? Dr. Simon Bretschneider hat dies für ein spezifisches Genre näher untersucht: Die Tanzmusik, die bislang wenig bis keine Beachtung im Forschungsdiskurs gefunden hat. Wir wollten daher unter anderem von dem Musikwissenschaftler wissen, welches Quellenmaterial bis heute überliefert ist und welches persönliches Interesse der Studie zu Grunde liegt.
"Die musikwissenschaftliche Beschäftigung mit populärer Musik noch nicht en vogue"
L.I.S.A.: Dr. Bretschneider, Sie widmeten sich in Ihrer jüngst veröffentlichten Dissertation der Tanzmusik in der DDR. Woher rührt Ihr Interesse an dieser besonderen Thematik? Und welche Überlegungen gingen der Studie voraus?
Dr. Bretschneider: Ich bin über die sehr gut lesbaren Bücher von Michael Rauhut und Anderen an das Thema herangeführt worden. Vor allem Bye Bye Lübben City über Hippies und Tramper in der DDR hat mich sehr beeindruckt. Ich war zur Wende 12 Jahre alt und meine Eltern hatten eher westliche Musik konsumiert, »sozialistische« Tanzmusik war für mich also ein unbekannter Kontinent. Gleichzeitig war ich von dem Thema fasziniert, weil es zu einer untergegangenen Zeit und einem verschwundenen Staat gehörte, der mich und meine Familie geprägt hatte.
Als ich mich in das Thema reinlas, fiel mir auf, dass die meisten wissenschaftlichen Beiträge sich mit der Zeit ab den ersten Beat-Bands beschäftigten, aber kaum einer mit der Zeit davor. Das lag vor allem an der musikalischen Sozialisation der Autoren, die eben mit dieser Musik aufgewachsen waren. Und unter älteren Generationen war die musikwissenschaftliche Beschäftigung mit populärer Musik noch nicht so en vogue. Deshalb beschloss ich, das nachzuholen und eine Forschungslücke zu schließen. Übrigens gibt es auch über die Tanzmusik dieses Zeitraumes in der BRD noch keine umfassende wissenschaftliche Publikation.