Zugleich nahm die Nachfrage im deutschsprachigen Mitteleuropa vor allem nach zwei Kolonialprodukten enorm zu. Hierzu sei aus der einschlägigen Forschungsliteratur zum Hamburger Importhandel aus dieser Zeit direkt zitiert: „During the last third of the eighteenth century sugar and coffee alone accounted for more than 60 per cent of total recorded overseas imports”. Beide Produkte waren leicht verdauliche Kohlehydrate und/oder Stimulantien, die mit einigem Genuss konsumiert werden konnten und zudem noch – vor allem im 18. Jahrhundert – das Prestige des Konsumenten steigerten. Aufgrund dieser Eigenschaften war die Nachfrage nach beiden Produkten potentiell nach oben unbegrenzt und die Erzeugung durch stetige Ausweitung des Anbaus im amerikanischen Kolonialraum ebenfalls. Angesichts einer zugleich nur langsam steigenden Produktivität in Europa war der Erwerb dieser begehrten Kolonialprodukte für die Konsumenten hauptsächlich durch Ausweitung der Arbeitszeit möglich. In der einschlägigen Forschungsliteratur wird die dadurch angeregte „Industrious Revolution“ (Fleißrevolution) des 18. Jahrhunderts als wichtige Voraussetzung der „Industrial Revolution“ gesehen.
Der sich konstant verdichtende Nexus des deutschen Textilgewerbes und der karibischen Plantagenökonomie wurde nicht nur durch Sklavenhändler der westeuropäischen Mächte vermittelt. Kurioserweise trat im 18. Jahrhundert faktisch das Gegenteil ein. Großhändler aus Mitteleuropa wurden in dieser Zeit besonders zahlreich in Großbritannien und Frankreich und sie nutzten mit Vorliebe Schiffe unter der dänischen oder niederländischen Flagge für den sogenannten Re-Exporthandel, also den Weiterverkauf von aus den Kolonien gelieferten Produkten nach Mitteleuropa zu den Nordseehäfen. Die Profite in diesem Segment des Zwischenhandels gingen daher immer stärker an die mitteleuropäischen Händler. Für dieses Phänomen werden verschiedene Erklärungen in der Literatur angeboten. Bezüglich der französischen Atlantikhäfen sind sich relativ viele Historiker einig: Sie sehen hier eine Art von Risikoaversion der Kolonialhändler als Ursache. Der Überseehandel mit den eigenen Kolonien war legislativ geschützt, und man zog aus diesem relativ sichere Profite. Die risikobehaftete Weitervermarktung in Nordeuropa überließ man Händlern aus dieser Region.
Ob dies so stimmig ist, sei dennoch dahingestellt. Möglicherweise wirkte zugunsten der Nordeuropäer eher ihre Anbindung an große Flüsse (Rhein, Elbe) mit einem weiten Hinterland, ihre relative Nähe zu den weiten Märkten Osteuropas und ihre bessere Anbindung an die europäischen Postlinien mit ihren Zentren in Frankfurt und Brüssel, was immer ein relativ rasches Informiertsein über Preisentwicklungen bedingte. Es sei dabei auch bedacht, dass sich nur wenige britische Händler im 18. Jahrhundert in Hamburg dauerhaft niederließen, jedoch viele Hamburger und weitere deutsche Händler sich in Großbritannien ansiedelten. Eine Art von Risikoaversion britischer Händler im 18. Jahrhundert wurde in der Literatur noch nicht behauptet, obgleich sie den Re-Export ihrer Produkte auf den Kontinent genauso wie die Franzosen weitgehend den kontinentalen Nordeuropäern überließen. Welche Ursache es auch immer hatte, die bedeutende Rolle der deutschen und Schweizer Händler in westeuropäischen Hafenstädten in diesem Segment des Kolonialhandels war aufsehenerregend. Die günstige Entwicklung der norddeutschen Gewerbelandschaften in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der Bevölkerungszahlen in diesen Regionen wird auch auf die recht massive Handelsverdichtung mit dem kolonialen Atlantikraum zurückgeführt.
Einige Zahlen können die Dimensionen der Expansion verdeutlichen, die gerade die deutschen Gewerbe durch ihre enge Anbindung an den Kolonialhandel durchliefen. So stieg der jährliche Export von Deutschland nach England von 185.000 £ im Jahr 1663 auf 818.000 £ im Jahr 1699. Dabei nahm Leinwand einen immer bedeutenderen Rang ein, um im 18. Jahrhundert häufig über 80% des gesamten Wertes auszumachen. Diese Leinwand nun ging zu ebenfalls 80 bis 90% in den Re-Export, wurde also in den englischen Kolonialraum weitergelenkt. Im Falle des deutsch-französischen Handels im 18. Jahrhundert ist die Struktur ähnlich. Für beide Seiten war der jeweilige Partner der wichtigste europäische Exportmarkt, wobei das von Seiten Frankreichs besonders stark galt, welches zum Jahrhundertende hin über 21% seiner Exporte ins Alte Reich absetzte. Dabei machten Kolonialprodukte über 60% der Exportgüter aus Frankreich aus, und sehr weit abgeschlagen folgten Gewerbeerzeugnisse oder Wein. Dieser Handel vollzog sich trotz der gemeinsamen Landesgrenze zu über zwei Dritteln zur See. Der Transport erfolgte zu über 90% auf deutschen Schiffen, die zu hunderten vor allem Bordeaux als das Zentrum des französischen Kolonialhandels aufsuchten. Dort befand sich eine relativ große ‚Kolonie‘ deutscher, vor allem Hamburger Kaufleute. Da damit die Frachtgebühren den deutschen Händlern zugutekamen, war der Vorteil des exzessiven Handelsbilanzüberschusses der französischen Seite etwas abgeschwächt.
Kurz zusammengefasst: Der vom Sklavenhandel abhängige Handel mit Kolonialprodukten wurde zu einer bedeutenden Suprastruktur des atlantischen und innereuropäischen Austauschs im 18. Jahrhundert. Davon profitierte das Alte Reich, da damit dessen Textilgewerbe und Reedereien in hohem Maße aktiviert wurden. Die hauptsächlich importierten Produkte Zucker und Kaffee wirkten als erstrebenswerte Güter und Stimulanzien für immer weitere Bevölkerungskreise, was einen wichtigen Impuls zur gewerblichen Entwicklung setzte. Im Zuge des sich stetig intensivierenden Handels war es nicht ungewöhnlich, dass im Laufe des 18. Jahrhunderts auch deutsche Händler in westeuropäischen Küstenstädten dazu übergingen, selbst den Sklavenhandel von den Häfen ihrer Gastgebergesellschaften aus zu organisieren. Hierzu fehlt es bislang deutlich an Detailforschung, allerdings zeigen die bereits vorliegenden Übersichten eine relativ intensive Aktivität im Sklavenhandel seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. In Westeuropa sind uns die Namen einiger deutschstämmiger Händler überliefert, deren Engagement im jeweiligen Sklavenhandel relativ bedeutsam erscheint.
Einer der erfolgreichsten Händler aus dieser Gruppe sei im Folgenden eingehender präsentiert. Friedrich Romberg wurde 1729 als fünftes von sechs Kindern im kleinen Dorf Sundwig, heute ein Stadtteil von Hemer, nahe bei Iserlohn geboren. Er entstammte mittleren bürgerlichen Verhältnissen mit einer leichten Unterstützung durch die nahebei lebende Adelsfamilie von Romberg, von der sein Vater als illegitimer Spross abstammte. Friedrich Romberg durchlief eine kaufmännische Ausbildung in Iserlohn und Augsburg sowie eine Anstellung in Aachen, bevor er 1755/56 zusammen mit seinem Bruder nach Brüssel emigrierte. Hier kamen beide Brüder im folgenden Jahrzehnt zu einigem Wohlstand, vor allem durch den Verkauf hochwertiger Textilien aus Schlesien und Hamburg. 1766 ersteigerten beide ein Transitprivileg, das ihnen den Transport von Ostende bis an die Grenze Luxemburgs ‚auferlegte‘ und durch ein faktisches Monopol von einigen Jahren auch erleichterte. Die Regierung der österreichischen Niederlande (weitgehend das heutige Belgien) in Brüssel wünschte dabei vor allem die Reduzierung der Abhängigkeit von den niederländischen Nordseehäfen und die Umgehung des sich von Norden nach Süden erstreckenden Territoriums des Fürstbistums Lüttich. Dabei kam den beiden Rombergs wohl besonders zupass, dass sie gute Kontakte ins Reich pflegten. Sie konnten daher den Transit weit nach Mitteleuropa hinein optimieren.
Der Transithandel über den ganzen europäischen Kontinent war in den folgenden Jahren eine wichtige Basis des wachsenden Wohlstandes der „Frères Romberg“ in Brüssel. 1771 wurde ihre Firma in folgenden Worten beschrieben:
Händler mit Baumwollstoffen, Musselin, Samt, Wollwaren, Trockenfrüchten und anderen Waren verschiedener Art: Korrespondenzen mit England, Holland, der Schweiz, Deutschland, Italien, Frankreich, Wien und Triest. Transitspediteure aus diesen verschiedenen Ländern über Ostende. Übernehmen den Transport derselben Waren. Kauf und Verkauf auf Kommissionsbasis.
Die Firma verwirklichte damit den in Österreich bereits länger gehegten Traum eines transkontinentalen Durchfuhrverkehrs, der von der Nordsee bis ans Mittelmeer reichte und dabei insbesondere Territorien des Hauses Habsburg bevorzugen sollte. In den 1770er Jahren wuchs der Transithandel stark an und verband die österreichischen Niederlande immer fester mit dem ausgedehnten Hinterlandhandel einerseits über Metz und Lothringen, andererseits über die Mosel mit dem Oberrhein, und so mit der Schweiz und Italien und dem Mittelmeerraum. Romberg selbst rühmte sich 1810, dass er der erste Händler gewesen sei, der eine zollfreie Verbindung von Ostende bis nach Neapel errichtet habe. Dabei war Lindau ein Knotenpunkt seines transeuropäischen Handels. Von hier aus organisierte er zwei Transportzweige, einen nach Venedig und den anderen nach Neapel. Vor allem Kolonialwaren gingen über den Verteilerknoten Lindau in Richtung Italien.
Als 1778 der Krieg zwischen Frankreich und Großbritannien ausbrach, waren die Voraussetzungen dank der Vorbereitungen von Rombergs Firma recht ideal für einen Boom des Hafens von Ostende. Wer hier anlandete, trat mit einem ausgedehnten Hinterland in Austausch. Seit die Briten die Niederlande im Dezember 1780 angriffen, verblieb zudem nur noch Ostende als einziger relevanter neutraler Hafen zwischen Emden und Portugal. Die nächsten Jahre brachten Ostende einen großen Boom an Schiffseingängen und Frachtumschlag. 1773 hatten hier noch 429 Schiffe angelegt, 1781 waren es 2.941, also fast das Siebenfache. Die allumfassende Korsarengefahr auf den Ozeanen trieb die Versicherungsprämien für Schiffe von Spanien, Frankreich, Großbritannien und den nördlichen Niederlanden in die Höhe und verteuerte deren Frachtverkehr. Daher wurde die Flotte der österreichischen Niederlande nun auch in großem Umfang nachgefragt. Die Vorteile der relativen Nähe zu allen kriegsführenden Parteien und die sprachliche Offenheit nach Frankreich und den Niederlanden hin machte einen guten Teil der Attraktivität der kaiserlichen Flagge und Seepapiere aus.
Romberg nutzte diese Gelegenheit wie kein zweiter in Belgien. Einerseits vergab er reichlich seinen ‚Namen‘ und ließ Schiffe aus den Nachbarstaaten fingiert bei sich registrieren; dafür bekamen sie die imperiale Flagge und entsprechende Schiffspapiere zugesandt. Eine zeitgenössische Beschreibung aus französischer Sicht hierzu lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig:
Während des Krieges von 1780 verletzten die Engländer die Rechte der meisten der neutralen Flaggen. Der Kaiser, sei es, dass er mehr Macht oder mehr Festigkeit als die anderen Souveräne besaß, war der einzige, der die Rechte seiner eigenen Flagge durchsetzte, unter welcher er ausgezeichnete maritime Operationen auf den Karibikinseln, im Sklavenhandel usw. durchführte. Es handelte sich nur darum, einen Strohmann aus Ostende oder Flandern, einen Kapitän und zwei Drittel der Besatzung dieser Nation zu haben, und das Geschäft wurde von einem zweiten eingebürgerten Franzosen geleitet. Die Produkte der Antillen waren damals billig und Fracht übermäßig teuer. Herr Romberg nahm 10 Prozent, um den Franzosen seinen Namen zu leihen, die Forderungen einzutreiben usw. Er kümmerte sich sogar um die Bestellungen, Versicherungen usw.
Durch das intensive Engagement für die fremden Atlantikhändler sah Romberg recht schnell, welche Profite hier zu machen waren. Als Inhaber einer Firma, die große Mengen an Kapitalien akkumuliert hatte, erkannte er im Atlantikhandel wohl rasch ein profitables Geschäftsfeld.
Viele Monate bevor die Briten den Niederländern im Dezember 1780 den Krieg erklärten, also zu einer Zeit, als noch hauptsächlich die niederländische Handelsflotte große Neutralitätsprofite machte und damit die zu erwartende Gewinnspanne noch nicht übermäßig war, begann Romberg, der hierfür 1782 sogar eine eigene Tochterunternehmung in Gent, „Romberg & Consors“, gründen sollte, sein direktes Engagement im Sklavenhandel. In einer 1785 erstellten deutsche Übersetzung einer auf Französisch verfassten zeitgenössischen Darstellung von 1783 heißt es hierzu:
Das erste Schif, das aus dem Hafen von Ostende nach den afrikanischen Küsten ging, war von Herrn Romberg ausgerüstet, es hieß Marie Antoinette, und war zu 290 Negern. Im Jahr 1782. rüstete Herr Romberg noch zehn andere Negernschiffe zum Transport von 5000 Negern aus. Es ist zu verwundern, daß ein Mann alle Bewegungen einer so grosen Maschine, als diejenige ist, die Herr Romberg in Bewegung gesezt, regieren kann. Es gibt kein Land, ja keine Stadt, mit welcher er nicht in Handlungsgeschäften stehe. Wie gros muß nicht die Erkänntlichkeit wahrer österreichischer niederländischer Patrioten sein! Hatte Herr Romberg auch Feinde, die es aus Neid und Eifersucht geworden, so bin ich doch überzeugt, daß keiner es laut sagen wird. Seinem Vaterlande dienen, ist Pflicht, aber der Ausländer, der dem Lande, das er aus Wa[h]l dem seinigen vorzog, nüzlich ist, muß der Gegenstand der Liebe aller wahrer Patrioten sein.
Der französische Autor, Auguste-Pierre Damiens de Gomicourt (1723–1790) hatte in den frühen 1780er Jahren aufgrund seiner radikalaufklärerischen Ansichten in die österreichischen Niederlande flüchten müssen. Dieser Freund der Freiheit hatte kein Problem damit, den Sklavenhandel geradezu enthusiastisch zu loben. Damit traf er in Belgien auf eine große Resonanz. Hier war auch noch 1780 eine schwere Kränkung zu spüren, dass das Land 1730 die sogenannte Ostender Kompanie unter dem Druck der Seemächte hatte auflösen müssen. Umso erfreuter war man nun über den intensiven Sklavenhandel unter der flämischen oder kaiserlichen Flagge. Der Stolz auf die flämischen Sklavenfahrten wurde auch von höchster Stelle geteilt. So wurde Romberg 1784 von Kaiser Joseph II., mit dem er auch persönlich befreundet war, der Titel des Freiherrn verliehen und dabei explizit auf diese Meriten verwiesen: „[E]ine große Anzahl [seiner Schiffe; MR] hat die Reise zur Goldküste und nach Guinea für den Negerhandel unternommen.“
Diese Begeisterung für den Sklavenhandel war besonders in den österreichischen Niederlanden ausgeprägt. Auch auf dem weiteren Kontinent war dies allerdings noch nicht wesentlich anders. Zwar wurde der Sklavenhandel in Westeuropa seit den 1770er Jahren immer stärker in Frage gestellt. Jedoch blieb dies eine erst langsam stärker werdende Strömung. Viele Sklavenhändler konnten gerade in diesen Jahren auf eine erleichterte Nobilitierung hoffen und Adelige hatten wenig Hemmung, in dieses Geschäft zu investieren. Die Zeitgenossen sahen einen für die europäische Heimat vorteilhaften Handel, der besonders prestigeträchtige Produkte der Plantagen, also Kaffee und Zucker nach Europa brachte.
Es stellt sich die Frage, ob hier neben dem deutschen Unternehmer an der Spitze auch weitere deutsche Akteure an diesen Sklavenunternehmungen beteiligt waren. Manches spricht dafür. So musste Romberg angesichts des urplötzlichen Schifffahrtsbooms von 1780 mehrere hundert Seeleute aus dem Königreich Dänemark anwerben, da sich in den österreichischen Niederlanden keine professionellen Mannschaften für den Fernhandel finden ließen. Dass hierbei zu einem guten Teil Seeleute aus den Herzogtümern Schleswig und Holstein kamen, erscheint recht wahrscheinlich. Und auch weitere Implikationen sind deutlich ersichtlich. So waren deutsche Kapitalgeber bei der Firma zu jedem Zeitpunkt ihres Bestehens intensiv beteiligt. Insgesamt überwiegt aber der Eindruck eines sehr europäischen Unternehmens, mit internationalen Mannschaften und Kapitalgebern.
Im Jahr 1783 wurde die Firma nach Bordeaux verlagert und dabei auch in „Henri Romberg, Bapst & Cie.“ umbenannt. Der neue Teilhaber Georg-Christoph Bapst (1755–1821) war in Paris geboren, seine Mutter stammte aus der Pfalz. Ihr zweiter Ehemann war Johann Luis Friedrich Bachmann, der in Paris zusammen mit seinem Schwiegersohn Jakob August Bapst, dem Bruder von Georg-Christoph, das Bankhaus „Bachmann & Bapst“ leitete. Über Bachmann in Paris wickelte die Firma die meisten ihrer Wechsel- und weiteren Finanzgeschäfte ab. Bapst leitete das Unternehmen nach dem Tod des eigentlich als Mitgesellschafter vorgesehenen zweiten Sohnes Friedrich Rombergs, dem 1784 in Bordeaux verstorbenen Henri Romberg, weitgehend in Eigenverantwortung. Bapst stimmte sich aber auch fortwährend mit seinen Hauptkapitalgebern in den österreichischen Niederlanden ab. „Henri Romberg, Bapst & Cie.“ gilt bis heute als ein besonders spektakuläres Beispiel eines Kolonialunternehmens. Durch intensiven Kapitaleinsatz, exklusive Lieferverträge mit Plantagenbesitzern und einem relativ starken Kommissionshandel konnte die Firma in Bordeaux binnen weniger Jahre zu einer der größten Reedereien vor Ort aufsteigen. In St. Domingo war die Firma mit zahlreichen Plantagen in engstem Kontakt und besaß selbst etwa 20 Stück. 1787 richtete die Firma eine eigene Filiale in St. Marc auf der Insel St. Domingo ein.
In seinen 1810 verfassten Erinnerungen hat Romberg sich in einer bezeichnenden Weise zum Sklavenhandel geäußert und dabei wohl auch intendiert, seinen Beitrag hierzu möglichst zu relativieren. Nachdem er betont hatte, dass die einzelnen Tochterfirmen alle unter einer eigenen Leitung standen, äußerte er sich in einer Fußnote zur Sklavenhandelsfirma in Gent:
Das Genter Haus hatte das Unglück, mit der Ausrüstung von neun Schiffen für die Goldküste, Guinea, Juda und Angola beauftragt worden zu sein, von denen vier für den Negerhandel für St. Domingo und Havanna bestimmt waren. Der Unterzeichnete [Romberg selbst; MR] widersetzte sich dieser Expedition, aber die Mitgesellschafter verhielten sich so geschickt, dass sie seine Zustimmung unter dem Vorwand erhielten, dass es sich nur um eine Kommissionshandelsangelegenheit handele, dass die eigene Firma nur zu einem Achtel hieran beteiligt sei und dass mehrere Unternehmer des Landes bereits größere Anteile an der Ausrüstung übernommen hätten. Weiterhin, dass die notwendigen Gegenstände bereits bestellt seien und dass die Anteile für drei Schiffe bereits gezeichnet wären.
Unser Unternehmen hatte sich dazu verpflichtet, vier oder fünf Schiffe des Unterzeichneten [Friedrich Romberg; MR] beizusteuern; die Hälfte ihres Wertes galt als Kapitalbeteiligung. Als die Unternehmungen begannen, hielten die Reeder, deren Leiter gerade verstorben war, sowie die weiteren Investoren ihre Gelder zurück, ein Teil von ihnen zog ihre Gelder unter verschiedenen Vorwänden ab; schließlich verblieb nur das Genter Haus voll engagiert. All diese unglücklichen Umstände führten zum Verlust von zwei Dritteln des Einsatzes und der Unterzeichnete verlor 2.300.000 livres.
Das erste Problem war, dass die Admiralität von Ostende durch elende Schikanen die Ausfahrt der ersten drei Schiffe verzögerte und diese durch Gegenwind gehindert den Hafen sechs Wochen lang nicht verlassen konnten. Ein Schiff verunglückte an der Küste bei Dünkirchen und eines auf der Rückfahrt bei der Insel Rhe. Der Frieden, der so bald geschlossen wurde und die Sterblichkeit unter den Negern verursachten den größten Verlust.
Diese unerfreuliche Bilanz nach drei Jahren Investitionen und Aktivität im Sklavenhandel über Ostende erscheint übertrieben. Aus den Rechnungsbüchern der Firma und weiteren Dokumenten gehen solch hohe Verluste nicht hervor, wenngleich es derzeit schwierig ist, eine exakte Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen. Zu bedenken ist, dass Romberg seit 1788 von manchen Investoren in den Sklavenhandel wegen Gewinnunterschlagung verklagt wurde und daher 1810 auch weiterhin nach außen eine Verlustgeschichte darstellen wollte. Zudem wollte sich Romberg in dieser Zeit, als der Sklavenhandel geächtet worden war, wohl auch als eine Art von ‚Opfer‘ dieses Geschäfts darstellen. Die Tatsache, dass das Genter Handelshaus noch vor dem Frieden von Paris 1783 nach Bordeaux verlagert wurde, von dort aus bis 1791 den Sklavenhandel weiterbetrieb und dabei besonders stark auch Investitionen in die Plantagen St. Domingos vornahm, spricht aber sehr klar für eine Unternehmung, die Romberg in Brüssel offenbar fortzusetzen gewillt war. Allerdings sollte diese Entscheidung für Friedrich Romberg letztlich fatale Folgen zeitigen. Bereits 1788 geriet die Brüsseler Mutterfirma über ihr Bordelaiser Unternehmen in ernste Zahlungsschwierigkeiten. Das Investment in die Plantagen erforderte hohe Folgezuschüsse an Kapital und die kurzfristig zu machenden Erträge blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Viele Verbindlichkeiten der Pflanzer in den Kolonien waren nicht eintreibbar und mussten auf die lange Bank geschoben werden. Es hätte eventuell alles noch für die Firma günstig ausgehen können, und 1790 zeigten sich auch Tendenzen von Gewinnaussichten. Mit dem großen Sklavenaufstand von 1791 in St. Domingo begann stattdessen rasch der endgültige Niedergang. Schlussendlich brachte das Engagement im Sklavenhandel für Romberg in Brüssel genauso wie für seine Mitinvestoren einen sehr hohen Verlust. Er schreibt dazu:
4.296.000 livres [gingen] durch die Revolution auf der Insel St. Domingo verloren. Als die Neger für frei erklärt wurden, massakrierten sie die Weißen und 60 reiche Plantagenbesitzer, Schuldner des Hauses von Henri Romberg Bapst et Cie, in Bordeaux, das 21 Teilhaber zählte: die meisten von ihnen fanden hierbei ihren Ruin.
Romberg behauptet, dass er eigentlich nur mit einer recht geringen Summe hätte beteiligt sein wollen, aber sein Sohn sich von einem weiteren Geschäftspartner hatte überreden lassen, die genannten großen Summen in das Bordelaiser Unternehmen zu investieren, dessen Zusammenbruch einen Verlust von 34 Millionen livres für die internationale, hauptsächlich belgische und französische, aber auch die deutsche Geschäftswelt brachte. Romberg selbst hat den Sklavenhandel bitter bereut, da es ihn nicht nur ein Vermögen, sondern auch zwei Söhne gekostet hat. Beide sind im Alter von 22 Jahren in geschäftlicher Tätigkeit im Sklavenhandel gestorben, der genannte Henri 1784 in Bordeaux, Ferdinand-Louis-Adolphe 1787 in St. Domingo. Die Brüsseler Firma Rombergs bestand allerdings weiter und sie konnte sich – mit deutlich verringerten Umsätzen – noch viele Jahre behaupten. Im Kolonial-, See- oder Sklavenhandel hat sie sich allerdings seit 1791 nie mehr betätigt, das war auch durch die äußeren Umstände mit einem seit 1793 bis 1815 fast ununterbrochenen Seekrieg nicht mehr möglich. Als die Firma 1810 endgültig insolvent ging, war das noch eine Nachwirkung der großen Verluste aus dem Sklavenhandel und dem Kauf von Plantagen.
Rombergs Firmenimperium mit der großen Kolonialtochterfirma in Bordeaux erscheint wie eine besonders massive Ausprägung und Überspitzung der deutschen Verwicklungen in den Sklavenhandel. Der kometenhafte Aufstieg und der ebenso tiefe Fall können sinnbildlich für dieses Geschäftsfeld an sich gesehen werden. Dabei ist das intensive Engagement wohl gerade auch der gut organisierten Verbindung ins europäische Hinterland geschuldet, die Romberg als ein seit den 1760er Jahren besonders erfolgreicher Transitunternehmer aufwies. Die Betätigung des Westfalen Friedrich Romberg im Sklavenhandel hat auch Quellen zurückgelassen, die die bewusste Einkalkulierung des Verlustes von Menschenleben in den Organisationszentren der Firmeninhaber dokumentieren. Ein Teil einer solchen Kalkulation sei hier kurz vorgestellt.
Reaktionen auf den Beitrag
Kommentar
haben Sie vielen Dank für Ihren profunden Kommentar. Ich stimme Ihnen gerne zu und relativiere meine Aussagen zur BAC/BAAC an dieser Stelle ausdrücklich. Die Literatur ist natürlich noch umfangreicher und es wären noch mehr Titel anzugeben, so neben Adam Jones die Arbeiten von Jürgen G. Nagel und inzwischen auch Roberto Zaugg. Ich habe mich zum Thema BAC/BAAC bewusst zurückgehalten um andere Aspekte der Verflechtungen durch Schlaglichter hervorzuheben. Und in der Tat habe ich aufgrund der Menge an zur BAC/BAAC erschienenen Literatur in den letzten Jahrzehnten angenommen, dass das Thema relativ stark auf archivalischen Recherchen basierend erforscht ist. Dass die Arbeit von Stamm ein Plagiat ist, war mir tatsächlich nicht bewusst und ich bedauere das sehr. Ich hoffe daher künftig auf vertiefte und erneuerte Forschungen zur BAC/BAAC und freue mich sehr auf Ihre kommende Dissertation. Ich stimme Ihnen gerne zu, dass die alten Arbeiten von Westergaard und Schück bis heute in sehr vielen Aspekten unübertroffen sind (und beide lese ich bis heute immer wieder mit Gewinn, sie sind äußerst faktengesättigt). Das sollte uns ein wichtiger Ansporn sein, hier neue Standardwerke anzustreben. Es freut mich, dass Sie auf diesem Weg offenbar bereits ein sehr gutes Stück weit vorangekommen sind.
Mit freundlichen Grüßen
Magnus Ressel
Kommentar
Dazu Leerstellen, wo man hinschaut: Wo ist die Rolle der afrikanischen Sklavenhändler und Stämme, ohne die das alles ja gar nicht funktioniert hätte, erwähnt? Wenn er schon den Bogen ins Heute schlägt - wo wird die Sklaverei von heute erwähnt? Nirgends.
Der Text an sich ist erneut ein Musterbeispiel, wie durch Auslassungen und willkürliche Zusammenstellung wieder einmal eine These in den Vordergrund gespült werden soll: die "Deutschen" (hier in Gestalt der Brandenburger) sind schuldig.
Kommentar
Erlauben Sie mir darauf hinzuweisen, dass Ihre Ausführungen in Fussnote 9 nicht der wissenschaftlichen Wirklichkeit entsprechen. Sie schreiben "...so sind historische Arbeiten zum Engagement der Brandenburger im Sklavenhandel seit über 120 Jahren relativ zahlreich geblieben. Dementsprechend kann dieser Aspekt der deutschen Geschichte als besonders gut erforscht angesehen werden."
Dieser Ansicht ist entschieden zu widersprechen und zwar aufgrund meiner profunden Kenntnisse der vorliegenden Literatur (siehe z.B. meine Rezension des Werkes von Klosa in Zeitschrift für Weltgeschichte, Bd. 13.1. (2012), S.236-240) und zahlreicher Forschungsaufenthalte in verschiedensten Archiven, vornehmlich im Geheimen Staatsarchiv preußischer Kulturbesitz und im Stadtarchiv Emden. Zum Thema des brandenburgischen Sklavenhandels zwischen Afrika und Karibik liegt bis heute keine belastbare, d.h. auf Archivquellen beruhende, publizierte Arbeit vor, die die Teilforschung von Professor Jones (bis zum Jahr 1700), die Studie von Westergaard für Sankt Thomas und die uralte, ,aber doch noch immer unübertroffene voluminöse zweibändige Pionierstudie von Richard Schück 1889 übertreffen.
Die von Ihnen zitierten Sekundärquellen beruhen eben nicht oder nur in geringem Maße auf Archivalien. Man darf sich also von neueren Erscheinungsdaten nicht blenden lassen. Es ist ein Fehler zu glauben, dass Neue sei immer modern und relevant. Oft verfälscht es, wie jeder, der in Archiven Originale in der Hand gehalten hat, die exakt nachgewiesenen Daten in den Manuskripten und den genannten Pionierarbeiten und arbeitet mit völlig willkürlichen Schätzungen und Hochrechnungen.
Die von Ihnen genannte Doktorarbeit Malte Stamm, Das Koloniale Experiment. Der Sklavenhandel Brandenburg-Preußens im transatlantischen Raum 1680-1718, [Diss.-Manuskript, Univ. Düsseldorf] 2013: https://docserv.uni-duesseldorf.de/servlets/DocumentServlet?id=26169 [zuletzt besucht am 29.12.2020].ist ein Plagiat, der Doktortitel wurde bereits aberkannt seit 2016, so dass Ihre Angabe "zuletzt besucht am 29.12.2020 irrig ist bzw. Sie dies übersehen haben). Vgl. unter der von Ihnen angegebenen URL der Universität Düsseldorf. Bei der DNB ist ebenfalls die Aberkennung vermerkt:
https://portal.dnb.de/opac.htm?method=showFullRecord¤tResultId=%22Stamm%2C%22+and+%22Malte%22%26any¤tPosition=5
„Diese Publikation ist aus rechtlichen Gründen gesperrt. Ursprünglich als Dissertation veröffentlicht, Doktorgrad wurde am 26.01.2016 entzogen.“
Schließlich hat auch die FAZ dazu erhellend berichtet:
https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/umgang-mit-plagiaten-an-den-hochschulen-15863796.html
Bitte nehmen Sie sich, auch wenn es sich Ihrerseits sicherlich nur um einen bedauerlichen Flühtigkeitsfehler handelt, diese Kritik zu Herzen. Es schadet der ernst zu nehmenden Wissenschaft wenn sich solche ärgerlichen Plagiate verbreiten und so jene - vor allem jene geschädigten - Forschenden demotivieren, die noch an die Wirkungsmächtigkeit und den höheren Wert akademischer Titel glauben möchten. Wenn solche Plagiatsquellen in ansonsten fundierten Studien renommierter Wissenschaftler zitiert werden, entwertet dies jegliche seriöse Forschung, ja die Wissenschaft insgesamt.
Abschließend möchte ich betonen, dass es außer Frage steht, dass Ihre ansonsten sicherlich ausgezeichneten Forschungen, die ich gerade mit großem Interesse entdecke, sehr beeindruckend sind; zumal ich eben auch in Iserlohn aufgewachsen bin und seit 1986 die Geschichte von Brandenburg-Preußen in Mauretanien (1684-1721) intensiv erforsche und bereits dazu publiziert habe. Noch arbeite ich an einer Dissertation/Monographie dazu. Für Rückfragen und ggf. fruchtbare konstruktive Zusammenarbeit stehe ich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Till Philip Koltermann, M.A./ Diplômé d'Etudes Africaines
koltermanntill@hotmail.com