In ihrem Vortrag werfen Dr. Tanja Potthoff und Michael Wiehen (Köln) einen Blick auf die städtebauliche Komponente der Ausweisung der jüdischen Gemeinde aus der Stadt Köln im Jahr 1424. Dabei liegt der Fokus auf der Wechselbeziehung zwischen dem jüdischen Viertel und dem Rathaus. Beide sind in Köln räumlich so eng verzahnt, dass die Entwicklung bzw. Ausbau des Rathauses mit der Entwicklung des jüdischen Viertel kollidierte. Mit der steigenden Bedeutung des Stadtrates und dem Zuwachs administrativer und repräsentativer Aufgaben wurde ein Ausbau des Rathauses notwendig. Ein solcher stieß in der vorhandenen räumlichen Situation sehr schnell an seine Grenzen und schien nur auf Kosten der jüdischen Gemeinschaft möglich. Dabei bilden sowohl das Pogrom von 1349 als auch die Ausweisung von 1424 zwei wichtige chronologische Fixpunkte im räumlichen Umbau des jüdischen Viertels und des Rathauskomplexes. Dennoch ist dieser vor allem als langanhaltender Prozess zu verstehen.
Ringvorlesung "Die Vertreibung der Kölner jüdischen Gemeinde 1423/1424 im europäischen Kontext"
Vor 600 Jahren, im August 1423, fasste der Rat der Stadt Köln den Beschluss, die Aufenthaltsgenehmigung für Juden und Jüdinnen in Köln nicht mehr zu verlängern. Der jüdischen Gemeinde Kölns sollte nur ein Jahr Zeit bleiben, um ihre Habe vor Ort zu verkaufen und einen neuen Lebensmittelpunkt zu finden. Ihr Auszug bedeutete das Ende der dauerhaften jüdischen Ansiedlung innerhalb der Stadt für die nächsten fast vier Jahrhunderte. Über dieses einschneidende Ereignis informiert uns heute nur noch ein kurz gefasstes Ratsprotokoll. Erst acht Jahre später legte der Stadtrat seine Gründe für die Vertreibung in einem Brief an Sigismund, den königlichen Stadtherrn und damit obersten Schutzherrn der Kölner jüdischen Gemeinde, dar.
Ausgehend von den Kölner Ereignissen thematisiert die Ringvorlesung die große Zahl an Judenvertreibungen im europäischen Kontext, die ab dem 14. Jahrhundert wellenartig einsetzten. Neben den Motiven für den wachsenden Judenhass sollen auch die massiven Auswirkungen für Jüdinnen und Juden in den Blick genommen werden.
Die Ringvorlesung im Wintersemester 2023/24 beginnt im Stiftersaal des Wallraf-Richartz-Museums und findet anschließend an den Universitäten Köln und Münster statt. Aufgrund der beiden universitären Standorte werden die einzelnen Vorträge der ausgewiesenen Expert:innen nicht nur als Präsenzveranstaltung gehalten, sondern parallel auch über einen Livestream zugänglich gemacht. Die entsprechenden Links sind kurz vor den Terminen auf den Seiten https://histinst.uni-koeln.de/forschung/forschungsstellen/geschichte-koelns/aktuelles und https://www.uni-muenster.de/Geschichte/histsem/LG-G/Termine/ringvorlesung.html verfügbar.