L.I.S.A.: Warum ist es für Wissenschaftler wichtig, mit den Medien zu kooperieren?
Prof. Peters: Die primäre gesellschaftliche Leistung der Wissenschaft ist die Erzeugung und Bereitstellung von "Wissen" und dieses kann nur durch Kommunikation mit anderen geteilt werden. Dabei spielen verschiedene Kommunikationsarenen und "Vermittler" eine Rolle und es handelt sich um ganz verschiedene Zielgruppen, die aus unterschiedlichen Gründen an dem Wissen interessiert sind. Öffentliche Kommunikation ist ein Weg, die gesellschaftlichen Leistungen der Wissenschaft zu vergrößern und einem unbestimmten weiten Interessentenkreis ein Angebot zur Teilhabe an diesem Wissen zu machen.
Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Verwissenschaftlichung der Gesellschaft, speziell der Politik wichtig. Nur wenn Wähler und gesellschaftliche Akteure Zugang zu einschlägiger Expertise haben, kann ihr Einfluss auf die Politik im Einklang mit dem Rationalitätskriterium politischer Entscheidung stehen. Die öffentliche Verfügbarkeit wissenschaftlicher Expertise als Voraussetzung einer effektiven politischen Partizipation wird also wichtiger. Die mediale Präsenz wissenschaftlicher Expertise begünstigt überdies ihre Berücksichtigung in politischen Entscheidungsprozessen, insofern durch journalistische Transformation tendenziell ihre politische Anschlussfähigkeit vergrößert wird und sie durch die mediale Selektion als gesellschaftlich "relevant" markiert wird.
Schließlich stellt die mediale Darstellung wissenschaftlicher Forschung und der Verwendung der Forschungsergebnisse die Wissenschaftler, Forschungsprojekte oder wissenschaftliche Organisationen unter einen Rechtfertigungszwang, ermöglicht gleichzeitig aber auch ihre Legitimierung, indem ihr Nutzen und ihre Konformität mit gesellschaftlichen Werten dargelegt wird. Damit wird die Öffentlichkeit potentiell in Forschungspolitik und Regulierung der Forschung einbezogen.
Eine interessante Frage ist natürlich, welche der genannten Gründe für Wissenschaftler und wissenschaftliche Organisationen selbst im Vordergrund stehen. Da gibt es sicher fachspezifisch, organisationsspezifisch und individuell ganz unterschiedliche Motivlagen. Ich glaube aber, dass man in den letzten Jahrzehnten tendenziell eine Zunahme strategischer Motive – Legitimierung bestimmter Forschungsfelder bzw. Einflussnahme auf politische Entscheidungen – konstatieren kann und parallel dazu eine Zunahme des Einflusses von Universitäten und Forschungseinrichtungen auf die öffentliche Wissenschaftskommunikation, weil diese die Öffentlichkeit für sich als Legitimationsquelle erkannt haben.[1]
Unsere Wissenschaftler-Befragungen – sowohl unsere internationale Befragung biomedizinischer Forscher vor einigen Jahren[2] als auch unsere jetzt gerade abgeschlossene in Deutschland – belegen starke Anreize für Wissenschaftler der verschiedensten Disziplinen, sich in Interaktionen mit den Medien einzulassen: Unsere befragten Wissenschaftler bestätigen weit überwiegend, dass die Leitungen von Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen die mediale Darstellung von Forschung begrüßen, dass Medienkontakte der Karriere von Forschern nützen und dass die jeweiligen Scientific Communities Medienkontakte ihrer Mitglieder akzeptieren – jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen. Auch bewerten Wissenschaftler selbst ihre Medienerfahrungen weitaus häufiger positiv als negativ, und als nützlich statt schädlich.
Eine zweite Facette der Frage ist, warum Wissenschaftler den Kontakt zur Öffentlichkeit über journalistische Medien suchen sollten, wo es doch andere, zum Teil neue Kommunikationsformen gibt, die auf den ersten Blick vorteilhafter erscheinen. Zur Beantwortung dieses Aspekts der Frage möchte ich zunächst eine Unterscheidung zwischen Massenmedien allgemein und journalistischen Massenmedien vornehmen. Letztere stehen im Mittelpunkt unseres laufenden Projekts, weil wir ihnen nach wie vor eine besondere Bedeutung zumessen. Massenmedien allgemein sind Voraussetzung für das Erreichen großer Teile der Bevölkerung mit Informationsangeboten. Quantitativ betrachtet spielen Formen direkter Kommunikation über Museen, Wissenschaftsjahre, Science Festivals, Science Cafés oder ähnliche Angebote im Vergleich zu Massenmedien eine untergeordnete Rolle, was im Übrigen nicht gegen diese Angebote spricht. Durch die Entwicklung des Internet haben sich für Wissenschaftler und wissenschaftliche Organisationen die technischen Möglichkeiten einer selbst-organisierten massenmedialen Kommunikation mit großen Teilen der Bevölkerung enorm vergrößert. Auch hier spricht nichts gegen diese neuen Kommunikationsformen, die vielen Wissenschaftlern attraktiv erscheinen, weil sie damit die "verzerrende" journalistische Transformation umgehen und die Inhalte weitgehender kontrollieren können als bei der Berichterstattung journalistischer Medien.
Dennoch ist es für Wissenschaftler und wissenschaftliche Organisationen unabdingbar, den Kontakt zum Journalismus zu suchen, sich dem Journalismus als Ressource anzubieten und Journalisten als Informationsquellen zur Verfügung zu stellen. Zum einen sind journalistische Medien – Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen sowie ihre Internet-Ableger – auch im Zeitalter von Blogs, Youtube, Facebook, Twitter & Co. für große Teile der Bevölkerung wie der Entscheidungsträger in Politik und Wissenschaftsmanagement die wichtigsten Informationsquellen über Sachverhalte jenseits der privaten Sphäre. Zum andern verleiht die Tatsache der Auswahl und Darstellung durch professionelle externe Beobachter – eben Journalisten – den öffentlichen Informationen eine besondere Qualität, die über Zugänglichkeit und Bekanntheit hinausgeht. Das liegt an der genuinen Publikumsorientierung des Journalismus, die von primär der Wissenschaft verpflichteten Informationsanbietern nur oberflächlich imitiert werden kann, sowie an der Auswahl, Darstellung und Bewertung von Themen und Aspekten der Berichterstattung nach wissenschaftsexternen Kriterien.
Konkret heißt das: die Darstellung eines wissenschaftlichen Ergebnisses oder einer wissenschaftlichen Analyse auf der Instituts- oder Universitätswebsite hat nicht die gleiche Bedeutung wie die gleiche Information im Wissenschaftsteil oder Feuilleton z.B. der FAZ oder ZEIT. Die Tatsache, dass es schwierig ist, in diese Medien zu kommen, weil diese eine rigide Selektion vornehmen, wird zum Nachweis öffentlicher Relevanz für die Informationen, die es dennoch geschafft haben.