Wie schon in den letzten Jahren ermöglichte es die Gerda Henkel Stiftung auch in diesem Jahr fünf Stipendiaten, an einer von insgesamt zwei Sommerakademien der Hamburger Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. teilzunehmen. Die Toepfer Stiftung organisiert unter anderem ein Stipendienprogramm für Studierende und Promovenden aus Mittel- und Osteuropa, die an deutschen bzw. Wiener Hochschulen studieren oder forschen. Dazu kommt noch ein Stipendium für Nachwuchswissenschaftler aus Oxford, das eine zweijährige Unterstützung für Forschung in Deutschland bietet. Um ein gegenseitiges Kennenlernen der Stipendiaten zu ermöglichen, werden seit einigen Jahren auf dem Gut Siggen in Holstein Sommerakademien ausgerichtet, bei denen vormittags in Seminaren gearbeitet wird, am Nachmittag aber so viel Freizeit zur Verfügung steht, dass Ausflüge unternommen oder Konzerte gegeben werden können, und man Zeit für Gespräche oder die nahe Ostsee findet.
Aufgrund der Zusammenarbeit der Gerda Henkel Stiftung mit der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S. fand ich mich also in der bisher heißesten Woche des Jahres zusammen mit einem hochsympathischen Haufen von Stipendiaten aus den verschiedensten osteuropäischen Ländern (und einem Waliser – es war der Tag nach dem 4:1 Sieg der Nationalmannschaft gegen die Engländer) auf dem gepflegten ehemaligen Landsitz des Stifters im Grünen ein. Anders als die Henkel Stiftung, die ja rein wissenschaftlich fördert, versteht sich die Toepfer Stiftung als ideeller Förderer und sucht durch ein mehrstufiges Auswahlverfahren außergewöhnliche Persönlichkeiten, die sie fördern kann. Dass dieses Verfahren funktioniert, zeigte sich eindrucksvoll an der einmaligen Stimmung der Akademie. Die Stiftung fördert sehr breit, so dass sich auf dem Gut unter anderem eine russische Dirigentin, eine georgische Architektin, ein albanischer Violinist, ein bulgarischer Oboist, ein russischer Jurist, eine litauische Kunsthistorikerin, eine Linguistin aus Tatarstan, eine Modedesignerin aus Weißrussland und noch andere Vertreter unterschiedlicher Länder und Disziplinen einfanden. Ein weiterer Stipendiat der Henkel-Stiftung und ich waren die einzigen Deutschen, insgesamt nahmen an der Akademie 14 Stipendiaten teil. Schnell wurde durch die gediegene und angenehme Atmosphäre des Veranstaltungsortes, aber auch durch die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Stipendiaten und Stiftungsmitarbeiter klar, dass uns eine spannende und gute Woche bevorstehen würde.
Von 9 bis 13 Uhr wurde an den folgenden vier Tagen (Anreise war Montag, Abreise am Samstag) in Seminaren gearbeitet. Zur ersten Sommerakademie, die schon Anfang Juni stattgefunden hatte, waren die Seminare „Was ist Mut? Menschliches Handeln in Krieg und Frieden“ und „Bestimmen, bestimmen lassen und bestimmt werden“ angeboten worden, im Juli konnten wir zwischen den Themen „Wer bestimmt in den Medien? Einblicke in den Wissenschaftsjournalismus“ und „Das Kunstwerk als work in progress: von der ersten Idee zum vollendeten Kunstwerk“ wählen. Das erste Seminar unserer Woche wurde von zwei Journalisten geleitet und hier wurde ganz konkret versucht, Forschungsergebnisse der Stipendiaten in journalistische Texte umzusetzen. Ich hatte mich für das kunsthistorische Seminar entschieden, das von dem emeritierten Professor für Kunstgeschichte an der Universität Wien Artur Rosenauer und dem zeitgenössischen Lyriker Franz Josef Czernin, ebenfalls aus Österreich, geleitet wurde. In den folgenden Tagen entstand so eine ausgesprochen fruchtbare und interessante Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte verschiedener Meisterwerke der bildenden Kunst, die durch Einblicke in die Entstehung von Lyrik ergänzt wurde.