Prof. Zhang Xinming gilt als einer der wichtigsten Konfuzianer des gegenwärtigen China. Im Jahre 2002 gründete der renommierte Philosoph auf dem Campus der Universität Guizhou eine traditionelle konfuzianische Schule mit dem Namen Guishan Shuyuan. Im Rahmen dieser Institution unterrichtet er nicht nur konfuzianische sowie buddhistische Klassiker, sondern praktiziert mit den Studenten unter anderem auch konfuzianische und chan-buddhistische Meditations- und Kalligraphieübungen. Seine akademischen Forschungsinteressen erstrecken sich über weite Felder chinesischer Philosophie, Literatur und Geschichte. Er ist Autor von 14 Werken über Konfuzianismus und Chan-Buddhismus.
"Die traditionelle chinesische Kultur erwacht vielerorts und in mannigfachen Aspekten zu neuem Leben"
Peng: Wir befinden uns jetzt in der Guishan-Akademie, die von Ihnen geleitet wird. Können Sie etwas zur Entstehungsgeschichte dieser traditionellen Schule erzählen?
Zhang: Die Guishan-Akademie wurde 1735 gegründet. Im Jahre 1902 wurde die Akademie dann in eine Universität nach westlichem Muster umstrukturiert. Dies ist unsere heutige Universität Guizhou. Geht man hingegen wiederum noch weiter zurück vor das Gründungsdatum der Guishan-Akademie, so ist darauf hinzuweisen, dass der wichtige neokonfuzianische Philosoph und Chan-Buddhist Wang Yangming hier Anfang des 16. Jahrhunderts seine Philosophie entwickelt und gelehrt hat. Unsere wieder neu gegründete, nach traditionellem Muster eingerichtete Guishan-Akademie hier auf dem Campus der Universität Guizhou basiert vor diesem Hintergrund auf der Philosophietradition, die auf Wang Yangming zurückgeht.
Peng: Im letzten Jahr haben Sie das zehnjährige Jubiläum der von Ihnen wieder neu gegründeten Guishan-Akademie gefeiert. Gab es in den vergangenen Jahren einige bedeutsame Veränderungen?
Zhang: Die derzeitige Entwicklung der traditionellen Guishan-Akademie begleitet die aktuellen Veränderungen der kulturellen Umwelt Chinas. Vergleicht man die letzten zehn Jahre mit der Zeit während oder kurz nach der Kulturrevolution, so hat sich nicht nur die Lebensart, sondern auch das Bewusstsein der Chinesen sehr verändert. Als ich begann diese Akademie zu planen, habe ich mir noch Sorgen gemacht, ob eine traditionelle Schule in unserer Zeit überhaupt akzeptiert werden würde. Im Jahre 2006 haben wir eine große Statue von Konfuzius vor der Akademie aufstellen lassen und dachten noch, dass es vielleicht Leute geben könnte, die etwas dagegen haben würden. Aber alles lief gut. Das Denken der Menschen hat sich in den letzten zehn Jahren gewissermaßen fließend und ruhig geändert. Obwohl die traditionelle chinesische Kultur in den letzten einhundert Jahren einige Umbrüche mitgemacht hat, ist die Lebenskraft der traditionellen chinesischen Kultur trotz aller Schwierigkeiten ungebrochen. Nachdem nun gewissermaßen das Gröbste überstanden ist, erwacht die traditionelle chinesische Kultur vielerorts und in mannigfachen Aspekten zu neuem Leben und die chinesische Gesellschaft wird dadurch nahezu unmerklich neu ausgerichtet.
Peng: Besteht Kontakt zwischen Ihrer Schule und wissenschaftlichen Institutionen im Ausland?
Zhang: Ja. Wir stehen regelmäßig im Kontakt mit Forschern aus Japan, Korea, den USA und aus Kanada. Dazu zählen Philosophen, Sinologen und Kulturwissenschaftler. Eine interessante Kooperation ergab sich mit einer Universität in Hongkong. Es handelte sich um eine neurologische Untersuchung, die daraufhin angelegt war, organisch-biologische Auswirkungen der traditionellen Chan-Meditation zu beobachten. Die entsprechenden Forschungsergebnisse werden bis heute noch intensiv in der asiatischen Buddhismusforschung diskutiert.
Peng: Können Sie kurz aus chinesischer Perspektive erklären, was man unter Chan-Meditation zu verstehen hat?
Zhang: Meditation kann zu einer besonderen Form religiöser Erfahrung werden. In China spricht man von Meditation als einem Nähren des Qi und des Körpers. In der Meditation verschmilzt Reflexion der Welt mit einer hochkonzentrierten körperlichen Selbstwahrnehmung. Damit realisiert sich eine Einheit von Bewusstsein und Körper, von Herzgeist und Handlung – wobei alle Dinge je-meiniger Welt einschließlich des ganzen Körpers, des ganzen Herzens und der Seele der Person, die gerade meditiert, eine Einheit eingehen. Es ist ein wunderbarer Moment …