Während die digitalen Spiele in der Geschichtswissenschaft mehr und mehr Beachtung finden, wird der Themenkomplex innerhalb der Kunstgeschichte noch immer vernachlässigt. Eine Frage, die jedoch dennoch immer wieder gestellt wird, ist die nach dem Kunststatus des Computerspiels: Können digitale Spiele als künstlerische Gattung oder gar Kunst bezeichnet werden? Welches Potential trägt das Genre in sich? Ein Wissenschaftler, der sich mit dieser Frage beschäftigt ist Prof. Dr. Stephan Schwingeler, der im deutschsprachigen Raum als erster Kunsthistoriker mit einer Arbeit zu digitalen Spielen promovierte. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit den sogenannten serious games, also Spielen, die ernsthafte Themen thematisieren und den Anspruch haben, Lerninhalte zu vermitteln. Wir haben den Kunsthistoriker, der seit diesem Sommersemester den Lehrstuhl Medienwissenschaft an der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim inne hat, um ein Interview gebeten.
"Der Kontakt mit Games war eine ganz natürliche Erfahrung"
L.I.S.A.: Prof. Dr. Schwingeler, Sie sind Kunsthistoriker und Medienwissenschaftler. Woher rührt Ihr Interesse an digitalen Spielen und wie drückt sich dieses in der Beschäftigung mit der Thematik aus?
Prof. Dr. Schwingeler: Das Interesse für digitale Spiele wurde gewiss in meiner Kindheit gelegt. Ich bin 1979 geboren, etwas ältere Nachbarkinder hatten schon Heimcomputer mit Spielen wie z.B. Giana Sisters. Ich habe Super Mario daher lange für einen dreisten Abklatsch gehalten! 1989 bekam ich einen GameBoy mit Tetris. Sie sehen: Der Kontakt mit Games war eine ganz natürliche Erfahrung. Gegen Ende meines Studiums habe ich Computerspiele dann aus einer ganz neuen Sicht, nämlich einer akademisch-analytischen Perspektive, wiederentdeckt. Ich habe mich auch schon immer für Kunst interessiert.
Anhand des Gegenstands des Computerspiels kam dann beides zusammen: Ich konnte kunsthistorische, sowie kunst- und medienwissenschaftliche Fragen aufwerfen und eben auch beantworten, indem ich diese in einen größeren (bild)geschichtlichen Zusammenhang gestellt habe. Ein Beispiel: Meine erste Monographie Die Raummaschine führt die dreidimensionalen Bildwelten aktueller Computerspiele konsequent auf die Renaissanceperspektive zurück und untersucht diese u.a. vor dem Hintergrund von Erwin Panofskys berühmtem Perspektivaufsatz als Blickregime und symbolische Form. In meiner Dissertation Kunstwerk Computerspiel, meinem zweiten Buch, habe ich dann die Materialeigenschaften ders Computerspiels als künstlerische Gattung untersucht und diese Gattung damit im Zuge dessen in die Kunstgeschichte eingeführt.