Die Rezeption von humanfossilen Hinterlassenschaften, die bis zurück in die Anfänge der Menschheit reichen, setzt nicht nur ein historisches Bewusstsein voraus, sie formt darüber hinaus zeitgebundene Geschichtsbilder und wirkt sich dabei auch das Verständis der jeweiligen Gegenwart aus. Je weiter die Zeugnisse aus der Vergangenheit zurückliegen, umso offener ist der Deutungsraum – auch für die Repräsentation und Reproduktion von solchen Zeugnissen. Die Kunsthistorikerin und klassische Archäologin Dr. Jutta Teutenberg hat in ihrer von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Dissertationsarbeit untersucht, wie im 19. und 20. Jahrhundert der Urmensch bildlich vor- und dargestellt wurde. Ihre Arbeit ist inzwischen unter dem Titel Im Schatten der Höhle erschienen. Wir haben ihr dazu unsere Fragen gestellt.
„Die Fähigkeit und das Schicksal der Bilder sich zu entwickeln“
L.I.S.A.: Frau Dr. Teutenberg, Sie wurden als Kunsthistorikerin und Archäologin mit einer Arbeit über Visualisierungen menschlicher Ursprünge promoviert. Ihre Dissertation erschien zuletzt unter dem Titel „Im Schatten der Höhle. Die Bildgeschichte des Urmenschen im 19. und 20. Jahrhundert“. Bevor wir auf einige Schwerpunkte Ihrer Arbeit kommen – was hat Sie zu diesem Thema geführt? Welche Überlegungen und Studien gingen Ihrem Forschungsprojekt voraus?
Dr. Teutenberg: Ursprünglich wollte ich mit meiner Arbeit einige Millionen Jahre früher einsetzen und über Dinosaurier und paläontologische Rekonstruktionen schreiben. Glücklicherweise las ich aber früh J.T. Mitchells The Last Dinosaur Book, nahm seinen Titel beim Wort und ließ mich stattdessen von einer seiner Ideen inspirieren: Er spricht von der „evolution of images“, also der Fähigkeit und dem Schicksal der Bilder, sich zu entwickeln, aber auch degenerieren und aussterben zu können. Dieses Konzept ließ sich hervorragend für die faszinierenden Visualisierungen von Urmenschen im 19. und frühen 20. Jahrhundert übernehmen.