Computertechnologie scheint heute selbstverständlich und hat längst die individuellen und gesellschaftlichen Lebensbereiche durchdrungen. Doch wir kam es zu dieser Entwicklung? Wie wurde der Personal Computer, kurz PC, "heimisch"? Wie veränderte sich die Gesellschaft durch den technischen Fortschritt und welche Chancen boten sich für eine mögliche Mitbestimmung? Wir haben Dr. Sophie Ehrmanntraut, die zur Entwicklung des "Personal Computers" ihre Dissertation verfasst hat, um ein Interview und außerdem um eine Einschätzung gebeten, wie sich die Entwicklung in Zukunft fortsetzen wird.
"Vorstellung eines öffentlichen Zusammenhangs jenseits der politischen Ordnung"
L.I.S.A.: Dr. Ehrmanntraut, Sie beschäftigten sich in Ihrer Dissertation mit der Diskursgeschichte des „Personal Computers“. Geht die Idee dieser Veröffentlichung auf ein persönliches Interesse zurück? Welche Überlegungen gingen der Studie voraus?
Dr. Ehrmanntraut: Ursprünglich wollte ich mich mit meinem Promotionsvorhaben der Aktualisierung des Öffentlichkeitsbegriffs im digitalen Zeitalter widmen. Historisch stark verkürzt, kann man sagen, dass der Begriff durch die Theorie der Aufklärung einen Bedeutungswandel erfahren hat. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich mit dem Begriff ‚Öffentlichkeit‘ die Vorstellung eines öffentlichen Zusammenhangs jenseits der politischen Ordnung durch. In „Was ist Aufklärung“ richtete sich Kant gegen den staatlichen Autoritätsanspruch über die Öffentlichkeit, von dem der Mensch gerade nicht zum freien öffentlichen Gebrauch seiner Vernunft, sondern in die Passivität geführt werde.
Die vernetzte Gesellschaft, wie sie spätestens seit den 1990er Jahren mit der Verbreitung des ‚World Wide Web‘ als gesellschaftliches Phänomen beobachtbar wurde, und die damit verbundenen digitalen Kulturen beriefen sich mit ihren Programmen nicht selten auf die Ideen der Aufklärung und auf ihren Begriff der Öffentlichkeit, als Instanz der Legitimitätsprüfung politischer Herrschaft und wesentlicher Bestandteil demokratisch organisierter Gesellschaften. Seit den 1980ern wurde das demokratische Potential des Cyberspace, später des ‚World Wide Web‘, sowie ‚Web 2.0‘ und schließlich der so genannten ‚Sozialen Medien‘ beschworen, auch wenn es in nicht geringem Maße an den Turbokapitalismus verkauft und ausgebeutet wurde, aber dies ist ein andere Geschichte.
Ich landete schließlich bei der Hypothese, dass die medientechnische Voraussetzung für die Teilhabe an der Netzöffentlichkeit der Zugang zu einem Computer war, der potentiell ans Netz angeschlossen werden kann. Ohne die Etablierung der Vorstellung des ‚Personal Computers‘ als individueller / häuslicher / privater / persönlicher Zugang, über den potentiell jedes Individuum frei verfügen kann, ist die Entwicklung einer solchen Netzöffentlichkeit nicht denkbar.