Heute vor einem Monat ist der Schweizer Historiker PD Dr. Peter Haber nach langer Krankheit im Alter von 49 Jahren gestorben. Sowohl als Privatdozent für Allgemeine Geschichte der Neuzeit am Historischen Seminar der Universität Basel als auch durch seine rege wissenschaftliche Publikationstätigkeit hat er sich bedeutende Verdienste um die Etablierung einer Digitalen Geschichtswissenschaft erworben. Wir haben seinen langjährigen Kollegen Jan Hodel, mit dem er unter anderem die Internetplattform hist.net gegründet und verantwortet hat, um ein Interview über Peter Habers wissenschaftliches Wirken und Erbe gebeten. Dr. Jan Hodel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Zentrum Politische Bildung und Geschichtsdidaktik der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz und des Zentrums für Demokratie (ZDA) in Aarau.
"Bei allen größeren Projekten im deutschsprachigen Raum mitgewirkt"
L.I.S.A.: Herr Dr. Hodel, vor Kurzem ist der Historiker PD Dr. Peter Haber nach langer Krankheit gestorben. Sie haben eng mit ihm zusammengearbeitet. Welche Lücke hinterlässt Peter Haber in der Geschichtswissenschaft?
Dr. Hodel: Nun, das hängt davon ab, welche Bedeutung man der Auseinandersetzung mit dem digitalen Wandel und mit seinen Auswirkungen auf die Geschichtswissenschaften beimisst. Peter Haber hat immer wieder mit Ernüchterung festgestellt, wie begrenzt das Interesse bei den Kolleginnen und Kollegen dafür war, was die digitalen Medien an Möglichkeiten und Herausforderungen für die Geschichtswissenschaft darstellen. Er hat ja sozusagen bei allen größeren und bedeutenderen Projekten im deutschsprachigen Raum mitgewirkt und mitgedacht, wo sich Geschichtswissenschaft und digitale Medien getroffen haben: er war Fachredaktor bei der Mailing-Liste H-Soz-Kult, im Beirat von hypotheses.org, hat bei docupedia.de als Berater fungiert und die global papers for digital history mitbegründet.
L.I.S.A.: Mit welchen Projekten verbinden Sie den Historiker Peter Haber vor allem?
Dr. Hodel: Oje, eine schwierige Frage. Peter Haber hat so viele Projekte lanciert, betreut und angedacht, dass selbst mir es schwer fiel, hier die Übersicht zu behalten. Ein Schwerpunkt war sicherlich sein Interesse an den Methoden geschichtswissenschaftlichen Arbeitens unter den Bedingungen des digitalen Medienwandels. Die Entwicklung eines "H-Desk", einer virtuellen Arbeitsumgebung für die Geschichtswissenschaften war ein langgehegter Wunsch von ihm. So haben wir 2000 bis 2002 am Projekt history toolbox die Idee eines Fachportals mit geprüften Internet-Links probeweise entwickelt. Anschließend hat er die Möglichkeiten von Wikis und Blogs ausgelotet und bei der Entwicklung eines Bibliographie-Programmes (LitLink) mitgewirkt. In seiner Dissertation schließlich hat er erste Überlegungen zu einer historischen Methode im digitalen Zeitalter angestellt - Überlegungen, die sein Doktorand Pascal Föhr in seiner Dissertation zu vertiefen begann. Auch seine Tätigkeit in der Fachredaktion der Mailingliste und Fachportals H-Soz-Kults, dem ersten und wohl immer noch wichtigsten digitalen Fachportal für Geschichte, ließe sich hier einordnen: Er hat sich sehr für die Bedeutung digitaler Medien für den wissenschaftlichen Alltag interessiert.
Als einen zweiten wichtigen Schwerpunkt würde ich seine Beschäftigung mit der Geschichte der digitalen Medien bezeichnen wollen. Peter hat immer Anstoß genommen an einer gar ahistorischen Sichtweise auf den digitalen Wandel. Ein großer Teil seiner Habilitation widmet sich der Computer-Geschichte. Ein gemeinsames Projekt, dass wir in Angriff nehmen wollten, hätte eine Art Oral History des Computerzeitalters werden sollen - eine Erkundung des ersten Erscheinens des Computers im Alltag von uns Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. Dazu ist nun leider nicht mehr gekommen.
Peter Haber war aber nicht nur ein Medienhistoriker. Ein wichtiger Teil seiner Arbeit als Historiker befasst sich mit der jüdischen Geschichte, besonders der jüdisch-ungarischen Geschichte.
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