Am 19. März 2020 verstarb Krzysztof Penderecki im Alter von 86 in Kraków. Sein Tod hat den Kreis der Musikkenner weltweit betrübt. Der polnische Komponist war einer der bekanntesten und bedeutendsten Komponisten unserer Zeit. Man hat ihn oft ehrenhalber als den Beethoven unseres Zeitalters bezeichnet, um seine Bedeutung sowie die Brillanz seines Schaffens hervorzuheben.
Als Avantgarde-Komponist war Krzysztof Penderecki bereits in den 1960er Jahren für zahlreiche Werke in verschiedenen Musikgattungen weltweit bekannt. Die Werke dieser Zeit wie „Threnody for the Victims of Hiroshima” (1960) und „Lukas-Passion“ (1965-1966) gelten nach wie vor als Meilensteine in Bereich der Neuen Musik. Später wurden Werke Pendereckis auch als Filmmusik bekannt.
Die Werke Pendereckis haben bereits seit Beginn der 1990er Jahre in China einen Einfluss ausgeübt. Zeitgenössische chinesische Komponisten wie z.B. Xilin Wang wurden kompositionstechnisch sowie musikästhetisch von Penderecki geprägt.
Seit Ende der 1990er Jahre ist Penderecki oft auch nach China gereist. Durch seine Erfahrungen in China war er tief berührt von der großen Veränderung der chinesischen Musikkultur. Bei seinem ersten Besuch hatte die chinesische Szene noch sehr geringe Kenntnisse bezüglich der europäischen Avantgarde-Musik. Von daher war Penderecki ein wichtiger Vermittler; er öffnete eine Tür, war selber die lebendige Verbindung zwischen chinesischer und europäischer Musikkultur unserer Zeit.
Als man ihn im Jahre 2016 in einem Interview nach seinen Eindrücken von China befragte, bemerkte er geistreich: „Es waren früher viele Fahrräder, aber jetzt sind es eine Menge Autos. (…) Die Chinesen sind sehr intelligent. Sie lernen die Avantgarde-Kunst, die wir 50 Jahre lang fertiggestellt haben.“ (2016)
Auf der chinesischen Musikbühne war Penderecki sowohl als Komponist wie auch als Dirigent aktiv. Als Dirigent war er Zeuge der Entstehung und des Aufwachsens mehrerer chinesischer Orchester. Er war Chefgastdirigent des China Philharmonic Orchestra, arbeitete mit mehreren chinesischen Sinfonieorchestern zusammen und dirigierte auch international bedeutsame Orchester (wie z.B. das Sinfonieorchester des Polnischen Nationalen Rundfunks) auf den wichtigsten chinesischen Bühnen.
Wie weithin bekannt, sprengte Penderecki selbst im Bereich der Neuen Musik alle möglichen stilistischen Konventionen. Seine Musik war nie an einen fremden oder auch nur selbst gesetzten fixierten Stil gebunden. Er probierte beständig neue Wege aus. Auch in diesem Sinne hat seine eindrucksvolle Begegnung mit chinesischer Kultur Spuren in seinen Werken hinterlassen. Insbesondere die traditionelle chinesische Musik interessierte ihn in ausgesprochenem Maße.
Obwohl Penderecki kein Chinesisch beherrschte, war er äußerst offen und bestrebt. Er versuchte anhand deutschsprachiger Übersetzungen chinesische Kulturelemente besser verstehen und einordnen zu können. Diese Beschäftigung hat es ihm ermöglicht, eine Reihe von Werken mit Bezügen zur fernöstlichen Kultur zu schaffen.
Krzysztof Penderecki komponierte insgesamt acht Sinfonien, von denen zwei von chinesischen Orchestern beauftragt worden waren: Als Auftrag des Guangzhou Symphony Orchestra wurde seine Sechste Sinfonie „Chinesische Lieder“ am „60th Anniversary Concert of Guangzhou Symphony Orchestra“ am 24. September 2017 in Guangzhou uraufgeführt. Dieses große Werk geht von acht Gedichten chinesischer Dichter aus der Tang-Dynastie (618-907) und Song-Dynastie (960-1279) aus. Ähnlich wie der österreichische Komponist Gustav Mahler (1860-1911) arbeitete auch Penderecki mit Nachdichtungen Hans Bethges, so dass mit diesem Werk auch ein Bezug zu Mahlers „Das Lied von der Erde“ besteht. Freilich hat Penderecki dabei neuartige und eigene Ausdruckswege beschritten. Sogar ein traditionelles chinesisches Musikinstrument, die Kniegeige Erhu, hat er dabei ins Spiel gebracht. Die Klangfarbe dieses Instrumentes lässt weit Entferntes poetischer Ursprünge assoziieren, Erinnerungen an eine weit zurückliegende Zeit.
Pendereckis Achte Symphonie wurde vom Internationalen Neuen Musik Festival Beijing beauftragt und ist im Jahre 2008 in der chinesischen Hauptstadt uraufgeführt worden.
Seit dem Jahre 1997 ist Krzysztof Penderecki insgesamt zwanzig Mal in China gewesen. Ursprünglich hatte das Symphony Orchestra Shanghai gemeinsam mit Penderecki noch für den 24. April 2020 ein Konzert im Rahmen der musikalischen Frühlingssaison geplant. Er wollte dabei sein Werk „Threnody for the Victims of Hiroshima“ sowie die „Symphonie Nr. 13“ von Dmitri Schostakowitsch dirigieren.
Durch seinen Tod wird dieses Konzert nun niemals stattfinden können. Der letzte große Eindruck des trauernden chinesischen Publikums, die gemeinsame, natürlich musikalisch begangene Feier zu seinem fünfundachtzigsten Geburtstag zusammen mit Anne-Sophie Mutter und seinen treuen chinesischen Musikfans in Beijing im 2019, wird sicher für immer unvergessen bleiben.