Lange Zeit schien der Kolonialismus im Geschichtsbewusstsein der Deutschen und in der deutschen Geschichtsschreibung nach 1945 eine nebengeordnete und beiläufige Rolle zu spielen. Wenn auch die deutsche Kolonialzeit (1884-1914) von kurzer Dauer war, so waren die Deutschen an Landenteignung, Ausbeutung und an Völkermord doch ebenso beteiligt, wie die anderen europäischen Kolonialnationen. Allmählich scheint diese „koloniale Amnesie“ zu verschwinden. Die Veränderung dieses historischen Bewusstseins veranschaulicht die Ära eines postkolonialen Deutschlands. Dabei fasst das Präfix „post“ den deutschen Kolonialismus keineswegs als abgeschlossene Epoche auf, sondern betont die notwendige Auseinandersetzung um eine Dekolonisierung globaler wie lokaler Machtverhältnisse und nicht zuletzt eine Dekolonisierung der immer noch dominierenden Deutungsmacht der Metropole.
Fotosammlungen der deutschen Kolonialzeit als gemeinsames Bildarchiv
Überlegungen zur Relevanz einer verwobenen Erinnerungskultur, mit Berücksichtigung der Kaiserreichen Bilder zum „Schutzgebiet“ Kamerun
An diesen dekolonialen Prozess setze ich meine Überlegung ein, indem ich mich auf koloniale Fotosammlungen des Deutschen Kaiserreiches zu Kamerun fokussiere. Das deutsche Kolonialreich und seine Protagonisten haben sich unauslöschlich in die fotographische Sammlungsgeschichte deutscher Institutionen eingeschrieben. Die Einlieferer von Fotografien aus den ehemaligen Kolonien waren Landesvermesser, Kolonialbeamte und –soldaten, aber auch Missionare, Wissenschaftler und Siedler. Kolonialbilder des Schutzgebiets Kamerun befinden sich in manchen Museen und Fotobeständen in Deutschland. Diese Bilder gehören zum kolonialen Bildarchiv, das das deutsch-kamerunische Kolonialgedächtnis prägt.
Als visuelles gemeinsames Erbe, stellt sich die Frage, wie gegenseitige bzw. postkoloniale Erinnerungskultur etabliert und aufrechterhalten werden kann. Es geht hier darum, am Beispiel von Kolonialbildern zu zeigen, dass die (post)koloniale Erinnerungspolitik nicht im abgeschlossenen nationalen Raum stattfindet, sondern ein transnationales Phänomen ist. Um diese Ziele zu erreichen, bieten Elizabeth Edwards, Deborah Poole und Kokou Azamede mit ihren jeweiligen Begriffen von „Thinking relationality“, „Visual economy“ und „Dekonstruktion des imperialen Auges“ theoretische Grundlagen zum gegenseitigen Umgang mit kolonialen Bildern.