L.I.S.A.: Warum, glauben Sie, konnten gerade US-amerikanische Spielfilme in Europa so populär werden? Warum können wir uns gerade in Deutschland gut mit den "Helden" identifizieren oder erkennen wir in den "Bösen" unsere (politischen) Gegner wieder?
Dr. Butter: Dabei spielen sicherlich mehrere Faktoren eine Rolle. Zunächst einmal haben die USA im 20. Jahrhundert weltweit einen erheblichen auch kulturellen Einfluss entwickelt, der sich schon früh auch auf Deutschland erstreckte. Modernisierung wurde ja schon seit dem Beginn dieses Jahrhunderts gerade im Hinblick auf die Entstehung einer Massenkultur in vieler Hinsicht als „Amerikanisierung“ erlebt (und von diversen Zeitgenossen beklagt).
Mit Blick speziell auf die Popularität amerikanischer Spielfilme muss man zudem konstatieren, dass das Hollywoodkino seinen weltweiten Erfolg nicht zuletzt seinen Qualitäten verdankt. Die Profitorientierung macht Hollywood zwar auch immer wieder zur Zielscheibe von Kritik, man rümpft – heute zum Beispiel angesichts der vielen Fortsetzungen, Remakes und Reboots – gerne und mitunter sicher auch zu Recht die Nase über den geringen künstlerischen Anspruch industriell gefertigter Ware für den Massengeschmack; aber das hohe Maß an Professionalität auf allen Ebenen der Produktion kann man nicht bestreiten. Hollywoodfilme sind schlichtweg oft gut gemacht und sprechen deshalb viele Menschen an.
Was nun die „Bösen“ angeht, ist es in der Tat so, dass es da seit dem Zweiten Weltkrieg zumindest hinsichtlich Westdeutschlands eine weitgehende Übereinstimmung gab und gibt. Das gemeinsame Feindbild Kommunismus ermöglichte schließlich die rasche Integration der BRD in den Westen und half dabei, aus ehemaligen Feinden Verbündete zu machen. Und die USA blieben auch nach dem Kalten Krieg ein enger Partner des nun wiedervereinigten Deutschlands. Entsprechend gab es bei der Einschätzung, von wem man bedroht wird, in den letzten Jahrzehnten mehr Einigkeit als Unterschiede, auch wenn die einzelnen Feindbilder bei uns nicht immer gleichermaßen bedeutsam waren. Sehen kann man das aktuell etwa bei der weit verbreiteten Furcht vor dem Islam, die in der Bundesrepublik zum Beispiel auch eine Anknüpfungsmöglichkeit für Rechtsextreme an breitere Bevölkerungskreise schafft.
Interessant erscheint mir in dem von Ihnen angesprochenen Zusammenhang noch, dass wir uns mit „Helden“ der Art, wie sie in erfolgreichen US-Spielfilmen häufig auftreten, die nicht zuletzt Konflikte oft auf sehr gewalttätige Art und Weise lösen, offenbar leichter tun, wenn es sich dabei nicht um Deutsche, sondern um Amerikaner oder – wie bei James Bond – auch einmal um Briten handelt. Ich vermute, dass das damit zu tun hat, dass wir deutsche „Krieger“ aufgrund unserer Geschichte nicht so einfach gut finden können. Deutschland ist von manchen Wissenschaftlern ja auch als „postheroische“ Gesellschaft charakterisiert worden. Das Bedürfnis nach Geschichten, in denen ein „Held“ die „Bösen“ auslöscht, ist aber offenbar gleichwohl vorhanden. So gesehen bieten die amerikanischen „Helden“ sich als weniger problematischer Ersatz für deutsche an. Das müsste aber einmal genauer untersucht werden.