Die Weimarer Republik musste vor allem in ihrem Innern um die Akzeptanz der Bevölkerung als legitimer und demokratisch verfasster Nachfolger des untergegangenen Kaiserreichs kämpfen - auf vielen Feldern. Eines davon war der Sport, bei dem die Zerissenheit der Deutschen besonders sichtbar wurde: Drehte man als Siegerin oder Sieger eines sportlichen Wettkampfs eine Ehrenrunde mit schwarz-rot-goldener oder mit schwarz-rot-weißer Fahne? Das ist nur ein Beispiel dafür, wie stark Flaggen, Hymnen, Urkunden, Pokale und Medaillen aus dieser Zeit symbolisch aufgeladen waren. Die Historikerin Dr. Nadine Rossol von der University of Essex hat sich genauer mit der politischen Symbolik im deutschen Sport beschäftigt. Wir haben ihr dazu unsere Fragen gestellt.
"Ein wichtiges Thema war das der territorialen Einheit Deutschlands"
L.I.S.A.: Frau Dr. Rossol, Sie forschen unter anderem zur politischen Symbolik im deutschen Sport und haben darüber zuletzt einen Aufsatz im Band „Die Spiele gehen weiter“ veröffentlicht. Darin befassen Sie sich konkret mit der deutschen Zwischenkriegszeit. Was sind denn typische politische Symbole und Metaphern, die in dieser Zeit bei Massensportveranstaltungen zu sehen waren? Was waren die zentralen Sujets dieser Symbole? Welche Botschaft sollten sie vermitteln, welches Narrativ stützen?
Dr. Rossol: Politische Fahnen und Farben waren bei Massensportveranstaltungen sowie bei lokalen Sportfesten wichtige und oft umstrittene, politische Symbole. In der Weimarer Republik stand die schwarz-rot-goldene Fahne nicht nur für die Nationalfarben der jungen Demokratie, sondern für alle diejenigen, die die Republik befürworteten. Die Gegner der Demokratie versammelten sich hinter den Farben des ehemaligen Kaiserreichs (schwarz-weiß-rot). In den Jahren des Nationalsozialismus dominierte die Hakenkreuzfahne sportliche Veranstaltungen. Diese politische Aufladung verschiedener Flaggen mag heute merkwürdig wirken, sie war jedoch in den 1920er und 1930er Jahren eine Auseinandersetzung um die politische Staatsform Deutschlands und daher waren diese Symbole so wichtig für die visuelle Darstellung von Staatlichkeit - besonders bei Massensportveranstaltungen.
Ein wichtiges Thema, welches bei verschiedenen Sportveranstaltungen in der Weimarer Zeit und ebenso im Nationalsozialismus eine große Rolle spielte, war das der territorialen Einheit Deutschlands. Sportveranstaltungen wurden nicht durch die sportlichen Wettkämpfe sondern durch Eröffnungs- und Schlussfeiern, sowie durch Flaggen, Ansprachen, Berichterstattung und weitere Elemente der politischen Festchoreographie mit einem bestimmten politischen Thema verbunden. So betonten die „Kampfspiele“ in Köln 1926, die Sportveranstaltungen in Breslau 1930 und das deutsche Turn- und Sportfest ebenfalls in Breslau 1938 schon durch ihre Ortswahl, dass die Thematisierung der Gebietsabtretungen in West und Ost diese Sportveranstaltungen dominieren sollten.