Am 1. Mai ist der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Elmar Altvater im Alter von 79 Jahren gestorben. In zahlreichen Nachrufen wurde er vor allem als "undogmatischer Marxist" charakterisiert. Diese Bezeichnung ist nicht zuletzt seinem wissenschaftlichen Werk geschuldet, das auf einem wachen und kritischen Blick auf globale politische, wirtschaftliche, soziale und ökologische Probleme und Verwerfungen des Kapitalismus beruht. Vor allem in den Ländern des sogenannten Südens gehört Elmar Altvater zu einem der meistrezipierten Wissenschaftler. Wir haben den Politikwissenschafter Prof. Dr. Ulrich Brand von der Universität Wien um einen Blick zurück auf Elmar Altvater gebeten.
"Ein unglaublich belesener und kluger Mensch"
L.I.S.A.: Herr Professor Brand, am 1. Mai ist der renommierte Politikwissenschaftler Elmar Altvater gestorben. Bevor wir auf ihn als Wissenschaftler und Denker zu sprechen kommen – wie erinnern Sie sich an den Menschen Elmar Altvater?
Prof. Brand: Ich habe nicht bei Elmar Altvater in Berlin studiert, sondern in Frankfurt/Main, aber seine Arbeiten bereits als junger Student gelesen. Im Sommersemester 1990, meinem zweiten Semester, fertigte ich gleich eine Seminararbeit zu „Altvater“ an und hatte sein kurz vorher erschienenes Buch „Sachzwang Weltmarkt“ geradezu verschlungen. Dass ich 1992 für ein Jahr nach Argentinien zum Studieren ging, hing sicherlich auch damit zusammen. Als Mensch lernte ich ihn in den 1990er Jahren "aus der Ferne" bei Vorträgen kennen. Persönlich dann kurz vor Ende der Jahrhundertwende, weil wir zu ähnlichen Themen wissenschaftlich arbeiteten, dann über die Kooperation im wissenschaftlichen Beirat von Attac, den ich seit der Gründung fünf Jahre lang koordinierte. Ab dann trafen wir uns regelmäßig.
Elmar Altvater war ein unglaublich belesener und kluger Mensch, der auf faszinierende Weise in der Lage war, komplizierte Sachverhalte verständlich auszudrücken. Er hatte klare politische Positionen, die er öffentlich und im persönlichen Gespräch gerne vertrat; manchmal auch zu hart, aber durchaus zugänglich für plausible Argumente. Menschlich war er aufgeschlossen und hatte einen guten Humor und wusste gut zu leben, zu kochen, zu essen und zu trinken – das habe ich so nicht mitbekommen, aber es gibt viele nette Geschichten dazu. Für mich als jüngerer Wissenschaftler war damals wichtig, dass er nicht sarkastisch war. Viele in den 1970er Jahren berufene ProfessorInnen nahmen später eine eher sarkastische gesellschaftspolitische Position ein. Im Herbst 2013 hatte ich ihn zu mehreren Vorträgen nach Wien eingeladen und besuchte ihn noch im Sommer 2016 im Krankenhaus. Und auch dort hatte er trotz Krankheit seinen Witz nicht verloren. Natürlich lagen neben seinem Bett wissenschaftliche Bücher und die neueste Ausgabe der „Blätter für deutsche und internationale Politik“.