Trolle sind uns aus vielerlei Kontexten bekannt: Ob als kleine niedliche Wesen auf der Kinoleinwand oder in Tolkiens Herr der Ringe - die Bandbreite dessen, was heute unter einem Troll verstanden wird ist breit und reicht im übertragenden Sinne bis zu Internet- und Patenttrollen. Prof. Dr. Rudolf Simek, Professor für Ältere Germanistik mit Einschluss des Nordischen an der Universität Bonn, beschäftigt sich in seinen Forschungen mit der germanischen und nordischen Mythologie und hat kürzlich eine Publikation veröffentlicht, die den einschlägigen Titel "Trolle" trägt. Im Interview haben wir den Germanisten gefragt, wie sich die deutlichen Rezeptionsunterschiede erklären lassen und warum für die Internet- und Patenttrolle gerade auf die mythologischen Wesen zurückgegriffen wurde.
"Solche Wesen sind eben ein essentieller Bestandteil des Volksglaubens"
L.I.S.A.: Prof. Simek, Sie sind Mediävist sowie Germanist und lehren an der Universität Bonn. Ein Forschungsschwerpunkt Ihrer Arbeit sind mythologische Gestalten, Ihre aktuellste Publikation trägt den Titel „Trolle“. Woher rührt Ihr Interesse an diesem, für die Wissenschaft eher ungewöhnlichem Thema?
Prof. Simek: Naja, sehr ungewöhnlich ist das Thema nicht: denn wenn man sich mit Mythologie beschäftigt, in meinem Fall eben der germanischen und nordischen Mythologie der vorchristlichen Zeit, dann sind solche Wesen eben ein essentieller Bestandteil des Volksglaubens. Was daran vielleicht ungewöhnlich wirken mag, ist dass diese Wesen in den unterschiedlichsten Formen jetzt wieder Hochkonjunktur haben. Aber auch mein Berufskollege Tolkien hat sich sehr mit diesen Wesen beschäftigt, er aber eben auf literarische Weise, ich auf wissenschaftliche.
L.I.S.A.: Die Bandbreite dessen, was heute unter Trollen verstanden wird, reicht von kleinen Gummifigürchen im Kinofilm „Trolls“ bis hin zu riesigen Wesen in Werken wie Herr der Ringe oder Harry Potter. Doch was versteht man im klassischen Sinne unter einem Troll? Und wie erklären Sie sich diese bedeutenden Rezeptionsunterschiede?
Prof. Simek: Das versuche ich eben in meinem Buch „Trolle“ nachzuvollziehen: Wie werden die großen, gefährlichen und mächtigen Wesen der Mythologie, aber auch noch der skandinavischen Volkmärchen des 19. Jahrhunderts, ausgerechnet gegen Ende des 20. Jahrhunderts zu putzigen kleinen Figürchen? Das hat nun sehr viel mit einer Vermischung der verschiedensten Vorstellungen in den einzelnen skandinavischen Ländern, einer unsauberen Benutzung von einstmals recht klaren Begriffen, und schließlich mit der Kreativität bestimmter Kinderbuchautoren wie Tove Jansson mit ihren Mummintrollen zu tun.