Hollywood ist mehr als nur ein Erinnerungsort der Vereinigten Staaten von Amerika - in zweierlei Hinsicht. Zum einen ist die Produktion von kollektiven Erinnerungen und Wünschen der US-Amerikaner dort längst nicht abgeschlossen, sondern nach wie vor in Betrieb, zum anderen werden in Hollywood nicht nur Bilder und Erzählungen für die amerikanische, sondern auch für eine globale Leinwand produziert. Die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Elisabeth Bronfen von der Universität Zürich hat sich in einem aktuellen Band mit Hollywood als spezifisch amerikanischem Projekt auseindergesetzt und geht darin der Frage nach, welche kulturellen Imaginationen einer Nation dort entstehen und verhandelt werden. Wir haben sie um ein Interview gebeten.
"Verschränkung von visueller Überwältigung und Intelligenz"
L.I.S.A.: Frau Professor Bronfen, Sie haben zuletzt ein Buch unter dem Titel „Hollywood und das Projekt Amerika“ veröffentlicht. Der Band besteht aus mehreren Essays zum kulturellen Imaginären einer Nation, wie es im Untertitel heißt. Bevor wir dazu im Einzelnen kommen, woher rührt Ihr Interesse für das Hollywood-Kino?
Prof. Bronfen: Hollywood ist das Kino, mit dem ich groß geworden bin. Als ich aufwuchs, gab es in München noch etliche Programmkinos, die ich – im Sinne einer cineastischen Ausbildung – sehr regelmäßig besuchte, und da spielte Hollywood eine wichtige Rolle (wenn auch nicht die einzige). Es war aber auch das Kino meiner Eltern, und somit die Bildwelt und die Geschichten mit und über die wir uns zuhause verständigten. Das hat mein wissenschaftliches Interesse an diesem Kino sehr beeinflusst, denn bedeutet für mich eine vertraute Welt mit Variationen.
Was mich anhaltend fasziniert, ist zugleich die Filmsprache, die in Hollywood entdeckt und immerfort weiter entwickelt worden ist: Der für die Erzeugung von Starkörpern entscheidende Zauber des Glamour; der Wortwitz der Dialoge, die Art wie über mise-en-scène, Kameraarbeit und Schnitt Geschichten erzählt werden; also die Verschränkung von visueller Überwältigung und Intelligenz, man könnte auch sagen Kalkül. Die Manipulation, die sich im Hollywood Kino ausstellt, finde ich auch intellektuell äußerst reizvoll.