Das neue Buch des Würzburger Historikers Prof. Dr. Peter Hoeres könnte kaum aktueller sein: Angesichts des Überwachungs- und Spionageskandals um die die us-amerikanische Behörde National Security Agency, kurz NSA, stellen sich nicht zuletzt auch folgende Fragen: Hat das Abhören, Überwachen und Ausspionieren von befreundeten Staaten Tradition? Ist das auch schon zu Zeiten den Kalten Krieges der Normalfall gewesen? Kann Außenpolitik noch funktionieren, wenn einem selbst Bündnispartner mit Misstrauen begegnen? Wieviel "geheim" benötigt die Außenpolitik? Und welche Bedeutung spielen dabei die veröffentlichte, die erhobene und die öffentliche Meinung? Prof. Dr. Peter Hoeres untersucht in seinem Buch "Außenpolitik und Öffentlichkeit. Massenmedien, Meinungsforschung und Arkanpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen von Erhard bis Brandt" auch diese Fragen. Wir haben ihn um ein Interview gebeten.
"Das 'Leaken' gab es auch schon in den 1960er und 1970er Jahren"
L.I.S.A.: Herr Professor Hoeres, Sie haben vor Kurzem Ihr neues Buch im Auswärtigen Amt vorgestellt. Es heißt „Außenpolitik und Öffentlichkeit“ und thematisiert das Spannungsverhältnis zwischen Massenmedien, Meinungsforschung und Geheimpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen. Auch wenn Sie sich dabei als Historiker auf die 1960er und 1970er Jahre beschränken, klingt das Thema hochaktuell, oder nicht?
Prof. Hoeres: Ja, durch Wikileaks und den "Whistleblower" Edward Snowden gibt es viele aktuelle Bezüge. Das „Leaken“, also Durchsickernlassen von Dokumenten, irritierte auch in meinem Untersuchungszeitraum schon erheblich die Außenpolitik und die transatlantischen Beziehungen. In den 1960er und 1970er Jahren gab es zahlreiche Whistleblower und Lecks. Die Veröffentlichung der Pentagon-Papers 1971 über den Vietnamkrieg sind nur die bekanntesten Enthüllungen davon. Man diskutierte aber stärker die geleakten Inhalte wie etwa das sogenannte Bahr-Papier vor dem Moskauer Vertrag, in dem vertrauliche Zugeständnisse der Bundesregierung an die Sowjets signalisiert wurden. Heute geht es vor allem darum, dass überhaupt geleakt bzw. abgehört wird.
L.I.S.A.: Der Titel Ihrer Studie impliziert, dass die Öffentlichkeit eine Rolle für die Außenpolitik spielt. Welche genau? In welchem Maße müssen Außenpolitiker Rücksicht auf die öffentliche Meinung nehmen? Wenn man beispielsweise an den Vietnamkrieg denkt, gewinnt man den Eindruck, dass die US-Außenpolitik der öffentlichen Meinung lange standhalten konnte. Umgekehrt sagt man der rot-grünen Regierung Schröder/Fischer anlässlich des Irakkriegs von 2003 nach, dass die Entscheidung gegen eine Beteiligung vor allem aus Rücksicht auf die öffentliche Meinung in Deutschland zurückzuführen gewesen sei. Kurzum: Ist Außenpolitik zunehmend abhängiger von der öffentlichen Meinung?
Prof. Hoeres: Eine lineare Tendenz zu mehr Abhängigkeit von der Öffentlichkeit würde ich für das 20. Jahrhundert in Frage stellen. Es gibt immer wieder neue Arkanformen wie etwa Backchannels, also geheime, am diplomatischen Apparat vorbei installierte Kommunikationskanäle. Die Außenpolitik steht allerdings immer unter Beobachtung und unter dem Druck von Medien und der Umfragen.