Bildwerke sind nicht zweidimensional. Diese Erkenntnis ist für eine Annäherung an die Rezeption und Bedeutungsgenese von Bildwerken essentiell. Sie trifft sowohl auf rundplastische Skulpturen, Reliefs und Wandgemälde, aber auch auf Münzbilder, Buchmalerei oder Bodenmosaike zu. Solche Bildwerke haben alle einen (veränderlichen) Platz im Raum, sind an ihren Untergrund gebunden, werden gehandhabt, bestehen aus mehreren Schichten und wirken mit anderen Objekten und Handlungen zusammen. Auch die Herstellung der Bildwerke kann als ein im materiellen Sinne mehrschichtiger Prozess beschrieben werden. Steinchen werden in einen Untergrund eingesetzt, Farbe aufgetragen, Material mit dem Meißel abgetragen oder mit einer gewissen Dicke in eine Form gegossen. Es liegt also nahe, die verschiedenen Ebenen oder Schichten zu unterscheiden und zu fragen, wie diese zur Wahrnehmung und zur Wirkmacht beigetragen haben. Außerdem sind die mit Bildwerken verbundenen Phänomene und Prozesse allesamt an eine Zeitlichkeit gebunden: die Produktion des Bildträgers ist ein Vorgang, der sich wie seine Wahrnehmung in der Zeit erstreckt. Das Bild selbst referenziert Zeit und Dauer des Dargestellten und sein Träger wandert nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit. Mit der Zeit sedimentieren verschiedene Bedeutungsschichten, die durch Erosionsprozesse wieder zum Vorschein kommen können. Die Dimension der Zeit erzeugt also weitere Ebenen des Bildes.
Während diese Phänomene letztlich für alle physisch erfahrbaren Objekte gelten, zeichnen sich Bilder außerdem durch weitere Vielschichtigkeit in kommunikativen Prozessen aus. In figürlichen Darstellungen können Figuren miteinander interagieren, im Bildraum gestaffelt oder parallel positioniert sein. Der Vasenmaler, Stempelschneider oder Buchmaler – um nur drei beliebige ProduzentInnengruppen zu nennen – bedient sich mannigfaltiger Möglichkeiten der Bildgestaltung. Diese wiederum können in ihrem jeweiligen Kontext unterschiedliche Absichten der ProduzentInnen widerspiegeln bzw. Wirkungen auf Seiten der RezipientInnen evozieren. Es wird z. B. mit verschiedenen Registern operiert, um einzelne Bildelemente zu hierarchisieren. Innerhalb einer Komposition erfolgt auf unterschiedliche Art und Weise eine Rahmung bzw. Framing, welches wiederum der Kenntlichmachung von signifikanten Unterschieden dient. Framing bedeutet hier nicht nur die tatsächliche Einbettung in einen Rahmen, sondern kann auch Phänomene wie stilistische Unterschiede, Größenunterschiede, die Positionierung auf einem Sockel, in einem Gebäude und andere Strategien der Differenzierung meinen. Durch solche wird etwa eine menschliche Figur als altertümliche Statue oder als verstorbene Person gekennzeichnet oder zwischen verschiedenen Handlungssträngen unterschieden. Unterschiedliche Erzählstile, Techniken und Themen boten den Malern, Bildhauern etc. jeweils spezifische Optionen mit den kommunikativen und ontologischen Ebenen zu operieren.
Bildwerke sind mehrdimensional. Für die RezipientInnen ergeben sich dadurch vielfältige und vielschichtige Ansätze zur Deutung von und zur Auseinandersetzung mit ihnen. Die Annäherung an zeitgenössische Wahrnehmungen und Bedeutungszuschreibungen lenkt unweigerlich den Blick auf das ‚sowohl als auch‘, auf die Möglichkeiten einer flüchtigen, ebenso wie einer intensiven Betrachtung: Zusammenhänge und Sinnebenen konnten in unterschiedlicher Weise erschlossen werden. Für die analytische Bildbetrachtung bleibt die immer wiederkehrende Frage, ob, wie und von wem eigentlich zwischen verschiedenen Ebenen unterschieden werden kann oder soll. Vor diesem Hintergrund befasst sich die Tagung mit den Phänomenen und den Konstruktionen der unterschiedlichen Arten von Bildebenen.
Mögliche Fragen wären:
Wie sind in bestimmten materialen Eigenschaften und Gattungen die Möglichkeiten zur Unterscheidung von Bildebenen angelegt? Welche Wechselwirkungen ergeben sich hierbei zwischen Material, Bearbeitung und Thema?
Welche Zusammenhänge lassen sich zwischen der Gestaltung materialer, zeitlicher und kommunikativer Ebenen feststellen?
Wie trägt die Unterscheidung und Kennzeichnung von Bildebenen zur Präsenz eines Bildwerks als Objekt, Medium oder Bild bei?
Welche unterschiedlichen Wahrnehmungen werden durch die Anlage von Ebenen ermöglicht oder auch gesteuert? Wie hängen diese mit den Umständen der Rezeption zusammen? Ist die Vielschichtigkeit an eine intensivere Betrachtung geknüpft oder erlaubt sie in manchen Fällen vielleicht sogar eine zügigere Erfassung bestimmter Zusammenhänge?
Welche Mittel wurden zur Unterscheidung von Bildebenen genutzt? Inwiefern sind diese typisch für bestimmte zeitliche und räumliche Kontexte?
Kann man im Zusammenhang mit Bildebenen von einer Lesbarkeit der Bilder sprechen und welches Potential birgt eine an Texten orientierte Analyse antiker Bildwerke? Inwieweit können hier z. B. Analysekategorien aus der Erzähltheorie fruchtbar gemacht werden? Mit welchen Mitteln werden in Texten Ebenen unterschieden und kenntlich gemacht und welche Rolle spielten in der Antike Phänomene wie Palimpseste oder Intertextualität?
Bitte schicken Sie Abstracts (250 Wörter) mitsamt Ihren Kontaktdaten und einer Kurzvita bis zum 22.8.2019 an fanny.opdenhoff@uni-hamburg.de.
Die Tagung wird von Jacobus Bracker, Fanny Opdenhoff und Martina Seifert am Institut für Archäologie und Kulturgeschichte des antiken Mittelmeerraumes der Universität Hamburg organisiert.