Früh aus Pabianice abgerückt. Das Generalcommando wurde nach dem Gut Kruszow verlegt, wo bisher blos der Gefechtsstand war. Ich fuhr im Auto mit Franz, unserem österreichischen Generalstäbler. In Kruszów selbst liegt nur der engste Stab: der General, Mutius, Thomsen (Ia), Kolaczek (Ib), Franz (als Verbindungsoffizier mit der österr Armee) und drei Ordonnanzoffiziere: Schulze-Pellkom, Ramdohr und ich; die übrigen in Tuszyn. Ich bekam Nachmittags den Auftrag, den Weg nach Ujazd zu erkunden auf seine Befahrbarkeit durch Autos. Da er sich als unpassierbar erwies, fuhr ich nach Wolborz, das gestern von uns genommen ist, damit das Gen. Kommando eventuell dorthin verlegt werden kann. Auf dem Marktplatz in Wolborz drängten sich deutsche und österreichische Kavalerieoffiziere. Unger, der Kommandeur der 5ten Kavalerie Division, stand dort und gab seinen Befehl aus. Das 3te Kavalerie Corps marschiert mit uns und dem Garde Reserve Corps konzentrisch in der Richtung auf Warschau. In Wolborz scheinen alle Marschrouten sich zu kreuzen. Unsere Dritte Inf. Div. hat heute dort ihr Stabsquartier, das Dritte Cavalerie Corps ist im Durchmarsch, und an einer Ecke wartete Marschall auf die Division Albrecht vom Gde Res. Corps, die auch kommen sollte. Eben wurde die von Pionieren geschlagene Brücke über die Wolborka fertig und Truppen und Bagagen ergossen sich darüber. Hollen hatte an der Brücke ein Biwaksfeuer anzünden lassen, das die Szene erleuchtete. Die Russen sind in voller Flucht. Das Garde Res. Corps hat gestern bei der Einnahme von Petrikau 6000 Gefangene gemacht, wir bei unserem Vorgehen über 2000. Marschall erzählt ausserdem, dass die Österreicher bei Krakau 31 000 Russen gefangen haben. Tomaszow wird vom Feind allerdings noch gehalten, doch voraussichtlich morgen in unseren Händen sein. Ich liess mir vom H.K.K. 3 und von Hollen genaue Auskünfte über ihre Absichten erteilen und einzeichnen und fuhr dann zurück. In Kruszow wurde ich, als ich die Meldung vom Sieg der Österreicher bei Krakau überbrachte, mit der Nachricht von Mackensens Sieg bei Lowicz und Sochaczew empfangen. Durch diese Fülle von guten Nachrichten wurde die Stimmung sehr gehoben. – Von H.K.K 3 geht Div 5 über Lubochnia auf Rawa, österr. Kav Div über Wielka Wola auf Mala Wies, die andre deutsche Div. über Rzeczyca auf Groiec. – Bei Tisch die beiden Siege und Thomsens Eisernes Erster gefeiert. Gerok hielt eine kurze Rede und Franz antwortete. Bis spät in angeregter Unterhaltung beisammen.
17. Dez. 1914 Donnerstag. Kruszów
Tagebucheintrag Harry Graf Kessler
PD 1923 (WikimediaCommons)