L.I.S.A.: Folgt man den Leitmedien hierzulande bzw. im Westen erklärt sich die Konfliktlage in Syrien zurzeit in etwa folgendermaßen: In Syrien herrscht ein Diktator, der Krieg gegen das eigene Volk führt und dabei vor dem Einsatz von chemischen Waffen nicht zurückschreckt. Unterstützt und geschützt wird er dabei von Russland. Der Westen, angeführt von den Vereinigten Staaten, setzt hingegen auf die demokratischen Gegenkräfte und fordert die Absetzung des syrischen Präsidenten. Gibt dieses Narrativ die aktuelle Lage aus Ihrer Sicht ungefähr wieder?
Prof. Masala: Nein, das Narrativ ist unzutreffend. Ja, Russland unterstützt Assad, ja, dieser geht wohl mit Giftgas gegen seine Widersacher vor und der "Westen" sieht gerade dabei zu und kann und will nichts machen. Aber: der "Westen" hat Assads Widersacher unterstützt, sie aufgerüstet und - genauso wie Russland und der Iran - eine politische Lösung verhindert. Er hat sie dadurch verhindert, dass Assad zur "persona non grata" erklärt, dass er dämonisiert wurde. Aber diese Strategie ruhte auf zwei falschen Voraussetzungen. Zum einen auf dem Glauben, dass das Regime auf tönernen Füßen stehen und die Rebellen Assad schnell stürzen würden und zum zweiten, dass man, will man in einem Bürgerkrieg eine poltische Lösung erreichen, alle Konfliktparteien (oder zumindest die wichtigsten) in diese Lösung miteingebunden werden müssten - also auch Assad und seine Getreuen. Dämonisiert man aber eine der Konfliktpartien, erklärt sie zum absolut Bösen, dann bleibt dieser nichts anderes übrig, als bis zum Schluss zu kämpfen.
Man kann auch soweit gehen und sagen, dass der wiederholte Einsatz von Giftgas u.a. durch die USA mitverschuldet wurde. Nachdem Obama im August 2013 seine rote Linie nicht eingehalten hat und den Einsatz von Giftgas seitens des Regimes nicht sanktioniert hatte, hat er möglicherweise das Signal gesendet, dass die USA nie eingreifen werden, egal was das Regime in Damaskus macht.
Heute, wo Assad dabei ist, diesen Konflikt militärisch zu gewinnen, ist es für eine politische Lösung, in der die Hauptkonfliktparteien miteinbezogen werden, längst zu spät.
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